Drücken Sie die Eingabetaste zum Suchen

Flow auf der Wasserscheide: Biken im Valposchiavo

Text: Ralf Glaser | Foto: Filip Zuan
08.04.2024
Eine Landschaft wie eine Modelleisenbahn, flowige bis technische Trails, historische Wege: Der Trip vom Berninapass über San Romerio bringt alle Zutaten für einen Mountainbike-Trailklassiker mit.
An coolen Trails herrscht in den Alpen kein Mangel. Aber dass eine Tour schon mit einem Highlight beginnt, bevor überhaupt zum ersten Mal der Freilauf surrt? Die gibt’s im Valposchiavo! Ein Glück, dass die Rhätische Bahn genügend Ladekapazität für Mountainbikes hat, um auch grössere Gruppen in einem Rutsch auf den Berninapass zu bringen. Denn Fensterplätze sind dort chronisch Mangelware. Spätestens, wenn kurz vor der Waldgrenze zum ersten Mal die Gletscher der Berninagruppe auftauchen, hält es niemanden mehr auf den Sitzen. Doch auch ganz oben, am Bahnhof des Hospizes, wird es nicht langweilig. Bei dem kurzen, asphaltierten Anstieg zur eigentlichen Passhöhe wird der Blick frei auf die beiden Seen Lago Bianco und Lej Nair. Sie markieren die Wasserscheide in den Zentralalpen. Während das Wasser des schwarzen Lej Nair via Inn und Donau ins Schwarze Meer fliesst, entwässert sich der milchige Lago Bianco über den Comer See und den Po in die Adria. Gut zu wissen – aber was uns noch mehr interessiert als die Fliessrichtung, ist der Fahrfluss, der uns auf dem Trail erwartet. Kaum losgefahren, folgt der erste Hallo-Wach-Moment. Direkt nach der kargen Passhöhe zackt der Trail in eine Steilstufe hinein. Dort hält man in den engen, teils etwas ausgesetzten Kehren die Konzentration besser hoch. Doch keine Sorge, hier wartet nichts, was mit einer halbwegs fortgeschrittenen Fahrtechnik nicht zu bewältigen wäre. Nach den ersten Schlüsselstellen wird das Gelände ohnehin flacher. Dann mäandert ein schöner, alpiner Trail ohne grosses Gefälle an der Hangkante entlang, um zuerst die Bernina-Passstrasse und schliesslich die zur Forcola di Livigno zu kreuzen.
Flow auf der Wasserscheide: Biken im Valposchiavo
Flow auf der Wasserscheide: Biken im Valposchiavo
«Unsere Trails sind Oft alte Säumerwege, die wir mit viel Herzblut für das Mountainbiken hergerichtet haben.» – Francesco Lanfranchi
Lokführer und Bike-Guide

Historisch und bestens gepflegt

Hier ändert sich der Charakter der Tour. Ist man zu Beginn noch auf einem flowigen Bergweg unterwegs, folgt nach einer Steilstufe und einem kleinen Intermezzo auf der Passstrasse ein waschechter Römerweg. Dessen Natursteinpflaster ist ein harter Test für den Sitz der Zahnplomben. Mit hoffentlich positivem Ergebnis, denn in Poschiavo findet sich die passende Gelegenheit, um in einem der netten Restaurants etwas zwischen die Zähne zu bekommen. Die Stärkung ist auch notwendig, denn nach der Mittagspause steht ein Anstieg mit 900 Höhenmetern an. Oben angekommen ist die Tretarbeit grössenteils erledigt. Trotzdem treibt die Trailquerung zur Wallfahrtskirche San Romerio noch mehr als einmal den Puls nach oben. Spätestens hier fällt auf, in welch gutem Zustand die Trails vor Ort sind. Zum Teil liegt dies natürlich daran, dass nur wenige Tagestouristen den Weg ins abgelegene Tal finden. Aber auch an der Arbeit der Locals, die viel Zeit und Herzblut in die Instandhaltung ihres Trailnetzes investieren. Ab der Wallfahrtskirche San Romerio geht es dann praktisch nur noch bergab. Nicht jedoch, bevor man noch etwas für die eigene Gesundheit unternommen hat: Denn im Volksmund heisst es, dass nie mehr im Leben krank wird, wer San Romerio einmal komplett umrundet hat. Was angesichts des jähen Felsabbruches direkt an der Kirchenmauer auf eine Portion Humor schliessen lässt. Doch statt eines Freiflugs interessieren Mountainbiker eher die 13 Kilometer und knapp 1400 Tiefenmeter Abfahrt ins italienische Tirano – von denen ein nicht geringer Anteil auf spassigen Trails verläuft. Und natürlich die Rückfahrt mit der Rhätischen Bahn nach Poschiavo, die aus dieser Tour endgültig einen Epic Trail werden lässt.

Trail Infos: Valposchiavo

Charakter
Von ein paar kurzen Schlüsselstellen in alpinem Gelände zu Beginn der Tour abgesehen, stellt diese Tour keine grossen Anforderungen an die Fahrtechnik. Allerdings verlaufen manche Passagen, vor allem kurz vor San Romerio, etwas ausgesetzt an der Hangkante entlang. Eine sichere Bikebeherrschung ist also von Vorteil. Davon abgesehen hat diese Tour einen hohen Trailanteil und bietet viel Flow. Wer die Rückfahrt von Tirano mit der Rhätischen Bahn scheut, kann alternativ auch kurz nach San Romerio über eine Alpstrasse zum Lago di Poschiavo abfahren.

Route
Poschiavo – Rhätische Bahn – Ospizio Bernina – Berninapass – Passstrasse Forcola di Livigno – La Rösa – Pedecosta – Angeli 

Custodi – Poschiavo – Cologna – Presa Dafò – San Romerio – Viano – Roncaiola – Tirano – Rhätische Bahn – Poschiavo

Details
  • Fahrtechnik: 3/5
  • Distanz: 45,3  km
  • Höhendifferenz: Uphill 1080 m, Downhill 2920 m

Transfer
Die Rhätische Bahn hat meist genügend Kapazitäten, um Mountainbiker auch ohne Reservation zu transportieren. Fahrplan: 
tickets.rhb.ch/de/pages/bernina-express

Saison
Die Lage des Valposchiavo auf der Südseite des Alpenhauptkamms macht sich bemerkbar. Ab Anfang Mai findet man gute Bedingungen zum Mountainbiken vor. Lediglich am Berninapass können sich Altschneefelder auch länger halten. Checkt vor dem Aufbruch die Webcams!

Events
Vivabike Festival, 31. Mai – 2. Juni, geführte Touren, Tests und eine optimale Gelegenheit, das Valposchiavo kennenzulernen. vivabike.ch

Übernachten / Info
Das Valposchiavo setzt auf «Slow Tourism» und bietet meist kleine, oft familiär geführte Betriebe mit vergleichsweise günstigem Preisgefüge. valposchiavo.ch

GPX-Daten: LINK

BORN - Newsletter

Mit unserem Newsletter bleibst du top informiert. Alle Informationen zur Anmeldung findest du hier.
Deine Anmeldung war erfolgreich.