In einem jetzt publik gewordenen Urteil des Bezirkgerichts Affoltern vom 20. September 2022 wurden die beiden Zürcher Moutainbiker Alec Wohlgroth und Matthias Lüscher freigesprochen vom objektiven Tatbestand des Fahrens abseits von Wegen. Ein im Wortsinne wegweisendes Urteil!
Das Gericht hält in dem wegweisenden Urteil fest: «Die Beschuldigten sind vollumfänglich freizusprechen.» Der Fall hatte im vergangenen Jahr bereits Wellen gemacht in der MTB-Szene, nachdem die beiden Mountainbiker Einsprache gegen einen Strafbefehl erhoben hatten. Auf Grund eines TV-Beitrags im Schweizer Fernsehen SRF erfolgte eine Anzeige des städtischen Revierförsters. Wohlgroth und Lüscher flatterte je eine Rechnung über 500 Franken auf den Tisch - 100 Franken für jeden im Rahmen der Sendung gefahrenen Wegs. Das liessen die zwei Mountainbiker nicht auf sich sitzen. Ihr Rekurs gegen die Bussen führte zur ersten rechtlichen Erörterung, wo Mountainbikende am Uetliberg fahren dürfen. In einem ersten Urteil hatte das Statthalteramts Affoltern bereits im letzten Jahr präzisiert: Wege, die in Karten des Bundesamts für Landestopographie swisstopo verzeichnet sind und die für das Mountainbike geeignet sind, dürfen befahren werden.
Eine Szene aus dem Fernsehbeitrag, der zur Busse der beiden Mountainbiker führte. Damals hatten die beiden noch gut Lachen - jetzt wieder.
Damit allein gaben sich die beiden Mountainbiker noch nicht zufrieden und beschritten den weiteren Rechtsweg in der Hoffnung, dass bezüglich der rechtlichen Auslegung noch mehr Klarheit herrscht. Das Urteil vom 20. September hält jetzt fest: «Es müssten somit wie auch für alle übrigen Wege, die im Artikel genannten Kriterien der ‘Eignung’ und ‘Bestimmung’ hinzugezogen werden. Beide Kriterien sind jedoch unbestimmte Rechtsbegriffe und lassen eine Vielzahl von Interpretationen zu. So kann ein Weg für einen Mountainbiker mit guter Ausrüstung und langjähriger Erfahrung sehr wohl zum Befahren geeignet sein, für einen Anfänger wiederum klarerweise nicht. Für ein Mountainbike kann ein Weg geeignet sein, für ein einfaches Stadtvelo nicht. Somit ist die Einschätzung des Weges zum Befahren den Fahrern selbst überlassen und variiert je nach Einzelfall stark. Dass sich die Frage nach der Eignung von Wegen für Fahrräder fast nicht mehr stellt, weil versierte Fahrer fast jeden Weg befahren können, wird auch im Strafbefehl vom 8. März 2022 von der Anklagebehörde selbst festgehalten.»
Das neue Urteil geht im Sinne der Mountainbiker sogar noch über das ursprüngliche hinaus, und beendet eine jahrelange Rechtsunsicherheit.
Nach dem der Fall jetzt auch durch die oberste kantonale Instanz ganz im Sinne der Mountainbikenden entschieden worden ist, stellt Wohlgroth befriedigt fest: «Aus meiner Sicht haben wir nicht gegen andere Parteien gewonnen, sondern nur richtig gestellt, was uns Bikern schon immer zugestanden hatte. Es ist nun nach Jahrzehnten der Rechtsunsicherheit unmissverständlich definiert, was ‘Wege’ sind und wie im Fall der umstrittenen Eignung dieser Wege entschieden werden soll. Der Behördenwillkür ist damit ein Ende gesetzt.» Und weiter: «Bikerinnen und Biker müssen nun mit einem neuen Selbstverständnis auftreten: Wir sind keine Waldbenutzer 2. Klasse mehr! Die Rolle weg vom ‘Outlaw’ fordert aber auch mehr Verantwortungsbewusstsein. Wir sollten anderen Waldbenutzern künftig mit noch mehr Anstand und Respekt entgegentreten.» Bleibt zu hoffen, dass dieses richtungsweisende Urteil auch über die Kantonsgrenzen hinweg Signalwirkung hat und die rechtliche Position von Mountainbike-Sportlern in der ganzen Schweiz stärkt.