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Schneller Doppelpass
Schweizer Alpencross

Text: Thomas Werz, Fabian Obrist, Alba Wunderlin | Foto: Alex Buschor
03.02.2021

vom Berner oberland ins tessin

Drei Kantone, zwei Pässe – nur zwei Tage Zeit: Hart mit einem normalen Bike,
aber zum Glück hatten wir bei diesem Mini-Alpencross vom Berner Oberland über das
Wallis ins Tessin ein bisschen Unterstützung – was den Trail-Anteil enorm gesteigert hat.
Warum es sich lohnt, auch kurz aus dem Alltag auszubrechen?
Unsere Mitreisenden haben sich ihre Gedanken gemacht.
Was uns 2020 lehrt? Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Als wir zum ersten Mal über den Karten sassen und überlegten, wo denn eine Alpencross-Route mit möglichst vielen Singletrail-Tiefenmetern zu finden sei, da war von Corona noch keine Rede. So schrumpfte dieses epische Vorhaben zum Overnighter. Zu unsicher die Planung, zu wenig Schlafplätze auf den Hütten, komplett aus den Fugen geratene Terminkalender. Ausreden zählen nicht. Wir sind trotzdem aufgebrochen. Von Innertkirchen, wo man sich noch kurz entscheiden könnte, ob man lieber nach Osten auf den Sustenpass, oder doch nach Süden … Süden! Über den Grimselpass ins Oberwallis und weiter über den Nufenenpass ins Val Bedretto, mit Ziel Airolo. Und irgendwie passt das Wetter zur aktuellen Situation. Nie sind wir ganz sicher, ob es hält, ständig drücken sich die Wolken vors eigentlich grandiose Panorama. Das macht diese eh schon imposante Gebirgslandschaft noch ein bisschen wilder.
Auf beiden Seiten der Aare verläuft der alte Säumerpfad, die «Via Sbrinz», über den Weg wurde im Mittelalter der Hartkäse «Sbrinz» aus der Innerschweiz nach Süden exportiert.
Foto: Alex Buschor
Schneller Doppelpass Schweizer Alpencross
Auf beiden Seiten der Aare verläuft der alte Säumerpfad, die «Via Sbrinz», über den Weg wurde im Mittelalter der Hartkäse «Sbrinz» aus der Innerschweiz nach Süden exportiert.

Besser als zwei Wochen Karibik

«So ein «Micro-Adventure» ist schon was Feines, es lässt uns eintauchen in eine andere Welt, schnell mal weg von Terminen und E-Mails. Das Beste daran: Man muss dazu nicht weit reisen, sie finden direkt vor der Haustüre statt! Rucksack packen, E-MTB laden und los geht‘s. Quasi das, was Biken schon immer war: ausbrechen, die Freiheit geniessen und abschalten. Mit den Menschen, die ich mag, in Regionen, die ich bis dato noch nicht kannte. Durch das E-MTB stehen einem ja die Möglichkeiten offener denn je. Es erhöht meine Reichweite und hat dadurch meine Abenteuerlust neu entfacht. Ob schnell nach Feierabend auf einer kurzen Tour um den Hausberg oder wie hier, ein «Ausreisser» mitten in der Woche. Zwei Tage die Abwesenheitsmeldung ihren Dienst machen lassen und danach frisch erholt wie aus einem zweiwöchigen Karibikurlaub motiviert am Arbeitsplatz erscheinen.

Die geplante einwöchige Alpenüberquerung wird Corona-bedingt zu einer Schweizer Pässefahrt. Mit üppigen und langen Uphills, technischen Downhills und regelmässigen Kaffeestops – um die Energiespeicher wieder zu füllen.

Sowohl von uns, aber auch von unseren Bikes. Es ist doch fazinierend,was so alles mit dem richtigen Bike, minimalistischem Gepäck und etwas Geschick befahren werden kann. Bis vor ein paar Jahren war daran nicht zu denken.
Bei den Namen Grimsel und Nufenen schlagen ja normalerweise eher die Herzen der schmalbereiften Freunde des Velosportes höher. Dabei geht links und rechts vom motorisierten (Ferien-)Verkehr erst richtig die Post ab. Gepflegte und manchmal auch sehr technische Wanderwege vor idyllischem Bergpanorama sorgen für den Endorphinschub. Wir treffen nur wenige Wanderer. Und diese weichen sehr gerne zur Seite und beobachten fast ungläubig, was man mit einem E-MTB im Gelände so anstellen kann. Immer wieder ein paar drohende Wolken im Nacken, spulen wir die Höhenmeter zügig ab: Und die Abfahrten ins Wallis und ins Tessin entpuppen sich als echte Highlights.
Raus aus der kalten Nebelsuppe, runter in die Sonnenstube. Je länger der Trail, desto wärmer die Temperaturen, trockener und flowiger der Untergrund und immer breiter das Grinsen im Gesicht. Die Gelateria ruft! In Airolo ist dieses Miniabenteuer leider bereits vorbei. Nach einer schnellen Gelati- und Espressopause geht's ja leider schon zurück. Doch schon im Postauto dösend träume ich vom nächsten Off-Day. Perfekt!»

Fabian Obrist
Brand Manager Bergstrom
Bergbauern-Idyll – auf dem Weg zum Grimselpass passieren wir die alten Bauernhäuser bei Boden und Guttannen.  
Foto: Alex Buschor
Schneller Doppelpass Schweizer Alpencross
Bergbauern-Idyll – auf dem Weg zum Grimselpass passieren wir die alten Bauernhäuser bei Boden und Guttannen.  
Foto: Alex Buschor
Schneller Doppelpass Schweizer Alpencross

Granit und Waldboden

Über uns die grau-grünlich schimmernden und von den Eiszeitgletschern geschliffenen Granitwände, unter uns die Aare, dazwischen alte Bauernhäuser, Alpschafe und, je höher wir kommen, die imposanten Stauseen rund um das Grimselhospiz. Fast 1550 Höhenmeter sind es von Innertkirchen bis zur Passhöhe. So oft es geht, nehmen wir den schmalen, meist etwas holprigen Saumpfad. Über die «Via Sbrinz» wurde über die Jahrhunderte der Hartkäse Sbrinz und Vieh nach Italien exportiert. Die Landschaft lädt ein, den Blick schweifen zu lassen. Aber der Verstand rät, sich besser auf den Weg zu konzentrieren. Dank E-Support nehmen wir auch steile Uphills im Flug. Am Grimselhospiz sind wir jedoch froh, dass wir die Akkus noch einmal laden können.

Die Abfahrt vom Pass ins Wallis ist ein Genuss. Oben cruisen wir über angelegte Steinwege. Als wir in den Lärchenwald eintauchen, erwarten uns feinste Waldtrails, gespickt mit knackigen Wurzelfeldern. 
Losfahren und voll eintauchen in die Natur – das ist Mountainbiken.
Oben grüngrauer Granit, unten das türkisblaue Wasser im Stausee Räterichsbodensee. Dazwischen der schmale Trail, der teils so technisch ist, dass man sich richtig konzentrieren muss.
Foto: Alex Buschor
Schneller Doppelpass Schweizer Alpencross
Oben grüngrauer Granit, unten das türkisblaue Wasser im Stausee Räterichsbodensee. Dazwischen der schmale Trail, der teils so technisch ist, dass man sich richtig konzentrieren muss.
«Die Abfahrten ins Wallis und ins
Tessin entpuppen sich als echte Highlights.
Raus aus der Nebelsuppe, runter in die Sonnenstube.»
«Mehrtagestouren sind für mich deshalb so spannend, weil ich neues Terrain entdecken kann, mich von einem Ort zum nächsten bewege und einen ganz anderen geografischen Überblick von einer Region bekomme. Es ist reizvoll zu sehen, wie weit man mit einem Bike kommt, wie man Ortschaften hauptsächlich im offenen Gelände verbinden kann und welche «Hindernisse» dabei überwunden werden müssen. 

Als Enduro-Racerin bin ich es gewohnt, definierte und markierte Strecken abzufahren, und die Ziellinie in der kurz möglichsten Zeit zu überqueren. Mein Fokus liegt auf Präzision und Speed, der Konzentration und der Fähigkeit, meine Leistung im richtigen Moment abzurufen. Eine Tour ist dazu der krasse Gegensatz. Tourenfahren ist Urlaub machen! Genuss, das Entdecken von unbekanntem Gelände und die Natur stehen im Vordergrund. 
Dazu kommt natürlich auch die Geselligkeit. Ich habe einen mental herausfordernden Beruf als Therapeutin, der viel von meiner kognitiven Präsenz abverlangt. Da sind so kurze Alltagsfluchten in der Freizeit unendlich wertvoll – fernab der psychischen Problemgeschichten meiner Patienten. Die Gedanken einfach mal vom Fahrtwind wegtragen zu lassen. Den Moment erleben.
Am Ziel – nach 60 Kilometern mit fast 1600 Höhenmetern bergauf hat Alba sich eine kleine Erfrischung im Wallis verdient.
Foto: Alex Buschor
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Am Ziel – nach 60 Kilometern mit fast 1600 Höhenmetern bergauf hat Alba sich eine kleine Erfrischung im Wallis verdient.
Auf der Abfahrt vom Pass ins Wallis geben wir den Bikes die Sporen – auch weil wir keinesfalls nass werden wollen. Flow und Wurzeln wechseln sich ab. Ein Traum!
Foto: Alex Buschor
Schneller Doppelpass Schweizer Alpencross
Auf der Abfahrt vom Pass ins Wallis geben wir den Bikes die Sporen – auch weil wir keinesfalls nass werden wollen. Flow und Wurzeln wechseln sich ab. Ein Traum!
Foto: Alex Buschor
Schneller Doppelpass Schweizer Alpencross
Das Schöne an dieser Zweitagestour:  Ich war nicht verantwortlich für die Organisation, ich kann mich treiben lassen und eigentlich nur das tun, was ich am liebsten mache: biken. Einen angemessenen Plan zu erarbeiten mit der passenden Strecke, den Höhenmetern und den Übernachtungen ist schon eine Herausforderung. Nun, zwischen Grimselpass und Tessin bin ich einmal mehr davon begeistert, welch anspruchsvolles Gelände wir mit einem E-Mountainbike bewältigen, wie flauschig die Kilometer zurückgelegt werden können. Doch wenn man unterwegs ist, muss man manchmal seine Pläne ändern, sich den Gegebenheiten anpassen.
Gegen die Natur kommt man nicht an. Grundsätzlich finde ich solche Situationen spannend. Wenn dann halt «Hike your Bike» angesagt ist, geniesse ich die körperliche Anstrengung, die Herausforderung, die erarbeitete Abfahrt und nicht zuletzt die verdienten Pausen. Ich liebe essen. Hier plane ich gründlich. Vor allem auch, um nicht «hangry» zu werden (da bin ich labil). Nach der Abfahrt vom Nufenenpass und dem steilen Anstieg kam die Pause auf der Capanna Corno Gries wirklich sehr gelegen.
Fast geschafft – gut, mit dem Posti wär's einfacher, aber mit dem Bike macht so eine Pässetour einfach mehr Spass.
Foto: Alex Buschor
Schneller Doppelpass Schweizer Alpencross
Fast geschafft – gut, mit dem Posti wär's einfacher, aber mit dem Bike macht so eine Pässetour einfach mehr Spass.
Was mich bei einer Mehrtagetour zudem beschäftigt, ist die Frage: Was ist unverzichtbar, was «nice to have», was purer Luxus? Diesen Sommer gehört die Maske fix dazu, auch weil die Rückfahrt im ÖV geplant ist. Und selbst an einem warmen Sommertag kann das Wetter auf fast 2500 Metern schnell umschlagen. So braucht es doch etwas Material, will man einem Wettersturz fernab einer Hütte nicht hilflos ausgeliefert sein. Dennoch packe ich nach der Devise «weniger ist mehr». Ich bin schon etwas stolz, dass für die zwei Tage alles in meinen 12-Liter-Rucksack gepasst hat – und ich richtig ausgerüstet war. Gerade wir Rennfahrer neigen ja dazu, immer noch ein bisschen zu minimieren.

Da meine Eltern im Tessin leben, hat die Abfahrt auf den technisch-flowigen Trails vom Nufenenpass ins Alto Ticino ein bisschen etwas von «heimkommen». Gut, in Airolo haben wir es vor lauter Foto-Stopps und der Glace-Pause gerade noch so auf den Zug geschafft. Aber schon cool, dass man im eigenen Land mit einem Bike in so kurzer Zeit so viele unterschiedliche Sachen erleben kann.»

Alba Wunderlin
Sport- und Bewegungstherapeutin,
Bergstrom Teamfahrerin
Ufo mit Aussicht – die Capanna Corno Gries ist nicht nur architektonisch spektakulär, die Polenta ist es auch.
Foto: Alex Buschor
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Ufo mit Aussicht – die Capanna Corno Gries ist nicht nur architektonisch spektakulär, die Polenta ist es auch.

Nach dem Pass wird's technisch

Eine Mehrtagestour bringt es mit sich, dass man nicht alles bis aufs letzte Detail durchplanen kann. Am zweiten Tag ist der Nufenenpass tief in Wolken gehüllt, es nieselt bei einstelligen Temperaturen. Dazu kommt, dass der geplante Weg wegen Steinschlag absolut unpassierbar ist. Was tun? Ein Blick auf die Karte. «Vom Pass geht ein Weg ebenfalls in Richtung Capanna Corno Gries», sagt Fabian. Nach der technischen Abfahrt fordern uns noch einmal 400 Höhenmeter bergauf. Die Polenta im «Alpenraumschiff» Corno Gries schmeckt dafür doppelt so gut.

Auch nach der Pause bleibt es sportlich. Der Trail schlängelt sich schmal und ausgesetzt hoch über dem Val Bedretto in Richtung Osten. Hier sollte man sowohl sein Bike als auch die Höhenangst im Griff haben. Doch kurz nach der Alpe San Giacomo verwandelt sich der schmale Trail in eine staubige Flowmaschine. Die Sonne strahlt, wir lassen es stauben. Ticino, wir kommen!
Auf Block – damit etwas Flow aufkommt, braucht es auf der Abfahrt vom Nufenenpass eine solide Fahrtechnik.
Foto: Alex Buschor
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Auf Block – damit etwas Flow aufkommt, braucht es auf der Abfahrt vom Nufenenpass eine solide Fahrtechnik.
Auf Kante – der schmale Singletrail schlängelt sich hoch über dem Val Bedretto hinab nach Airolo. 
Foto: Alex Buschor
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Auf Kante – der schmale Singletrail schlängelt sich hoch über dem Val Bedretto hinab nach Airolo. 
Nur zwei Tage? In Airolo angekommen fühlt es sich an, als wären wir viel länger abgetaucht. Erlebnisse haben wir für eine ganze Woche gesammelt.
Foto: Alex Buschor
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Nur zwei Tage? In Airolo angekommen fühlt es sich an, als wären wir viel länger abgetaucht. Erlebnisse haben wir für eine ganze Woche gesammelt.
«Schon cool, dass man im eigenen
Land mit einem Bike in so kurzer Zeit 
so viele unterschiedliche Sachen erleben kann.»

2 Pässe 3 Kantone

Tour

Diese Zweitagestour führt von Innertkirchen über den Grimselpass ins Oberwallis und weiter ins Tessin. Die erste Etappe verläuft bis zur Passhöhe grossteils auf der «Via Sbrinz». Die Abfahrt ins Wallis führt am Totesee vorbei über Singletrails bis Obergoms. Am zweiten Tag geht es auf den Nufenenpass. Die Abfahrt vom Pass ist anspruchsvoll. Von der Capanna Corno Gries verläuft der Weg bis zur Alpe San Giacomo. Erst danach wird der Trail flowig.
Von Airolo per ÖV zurück.
schweizmobil.ch


Unterkünfte

Wir haben im Hotel Castle in Bitzlingen, Obergoms, übernachtet.
hotel-castle.ch
info@hotel-castle.ch

Weitere Übernachtungsmöglichkeiten gibt es unter:
obergoms.ch

SAC Capanna Corno Gries:
corno-gries.ch

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