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MTB-Angebots-Entwicklung erfordert langen Atem

Text: Jürg Buschor
25.07.2024
Welches sind die Erfordernisse für die Entwicklung eines neuen Mountainbike-Angebots? Das lässt sich beispielhaft am Programm San Gottardo erklären – einem Gemeinschaftsprogramm der Kantone Uri, Tessin, Wallis und Graubünden. Es ist ein Modellfall der Neuen Regionalpolitik (NRP) des Bundes, die auf folgenden strategischen Ausrichtungen basiert: Förderung des Unternehmertums, Innovationsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit. 

Die Region rund um den Gotthard bietet ideale Voraussetzungen für einen öV-basierten Mountainbike Tourismus. Mit Mountainbike-Abfahrten von den Pässen Furka, Nufenen, Lukmanier und Oberalp und den entsprechenden durch öffentliche Verkehrsmittel unterstützten Aufstiegen, lässt sich der Gotthard auf einer bzw. zwei (in beide Richtungen) äusserst attraktiven und landschaftlich spektakulären Route von knapp 182 km umrunden. Das riesige Potential zeigt der Erlebnisbericht von BORN-Autor Ralf Glaser, der die Route noch vor ihrer Eröffnung abgefahren ist. Gross waren aber auch die Herausforderung in der Planung und Umsetzung – nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass das Projekt vier Kantone und drei Sprachregionen vereint. Was es dazu braucht, bis aus einer Idee ein «fahrbares Angebot» für Mountainbikende wird – dazu hat BORN mit Dieter Bogner gesprochen. Er ist Leiter der Geschäftsstelle für Regionalentwicklung in Ilanz und damit mit verantwortliche für das Programm San Gottardo 2020.
MTB-Angebots-Entwicklung erfordert langen Atem
Dieter Bogner – Leiter der Geschäftsstelle für Regionalentwicklung in Ilanz.
Mit St.-Gotthard vier/fünf Pässe-Bike wurden auf die Bike-Saison 2024 zwei neue Mountainbikerouten eröffnet – was zeichnet diese aus?
Der Anteil Singletrails ist sehr hoch. Es werden mit dem Furka und Nufenen zwei Pässe überquert. Die Aufstiege zu den Passhöhen können mit öffentlichen Verkehrsmitteln mühelos und kraftsparend bewältigt werden. Landschaftlich sind die Strecken sehr abwechslungsreich – sie führen durch hochalpines Gelände, über sanfte und saftige Wiesen sowie durch üppige Wälder. 

Einige der Routen des Mountainbikelands Schweiz werden als nicht mehr zeitgemäss taxiert – erfüllen die neuen Routen die heutigen Anforderungen einer genügend grossen Zielgruppe von Mountainbikenden?
Bei der Planung und Umsetzung der Routen stand der Fokus auf einem hohen Anteil an Singletrails. Daher entsprechen die Routen im Gegensatz zu anderen SchweizMobil Routen durchaus dem heutigen Zeitgeist und sind sehr attraktiv für Mountainbikende. Ausserdem führen die Routen meist auf bestehenden Wanderwegen mit alpinem Charakter, was sie von neu gebauten Trails oder Flowtrails grundsätzlich unterscheidet. Dies garantiert einen abwechslungsreichen und herausfordernden Fahrspass. Auch die Tatsache, dass die Routen über mehrere Gebiete führen, hat zur Folge, dass die Trails nie den gleichen Charakter, die gleiche Beschaffenheit oder denselben Untergrund aufweisen. Dies macht das Fahren extrem vielfältig und spannend. Gleiches gilt für die Höhenunterschiede, die auf einer der Abfahrten zurückgelegt werden: oben kühl mit alpiner, unten mild und warm mit Wiesen und Wäldern. Zudem bewegen wir uns in vier verschiedenen Regionen welche neben ihren eigenen Kulturen auch über verschiedene klimatische Bedingungen und damit verbunden andere Vegetationen verfügen. 

Mit welcher Vision wurde dieses Projekt gestartet? Welche Ziele konnten erreicht werden, welche mussten redimensioniert oder begraben werden?
Das übergeordnete Ziel ist es, die Gotthardregion als DIE Mountainbike Region im Zentrum der Alpen und im Herzen Europas zu positionieren. Über ein stimmiges Angebot mit einer qualitativ hochstehenden Infrastruktur, abgestimmt auf die Bedürfnisse der Zielgruppe soll neue Wertschöpfung generiert sowie die Wettbewerbsfähigkeit der Gotthardregion gesteigert werden. Infrastrukturmässig wurden die Ziele mehrheitlich erreicht. Anfangs war jedoch auch eine Route vom Grimsel nach Oberwald geplant. Aus verschiedenen Gründen konnte diese Route jedoch nicht realisiert werden. Teilweise konnten ursprünglich geplante Wegabschnitte nicht überall genauso realisiert werden wie angedacht und geplant wurde. Es waren kleinere Anpassungen bei der Wegführung nötig, die sich im Nachhinein jedoch nicht als Nachteil herausstellten und das Ganze eher verbessert haben. Aktuell steht die Kommunikation im Mittelpunkt. Das Angebot soll durch die Tourismusorganisationen gemeinsam vermarktet werden. Es soll eine Roadmap produziert werden und digital buchbare überregionale Angebote geschnürt und gebündelt werden und das Angebot ins Schaufenster zu stellen.

Die Planungsphase hat über sechs Jahr gedauert – worin bestehen die besonderen planerischen und politischen Herausforderungen eines solchen Grossprojektes, das 182 Kilometer Wegstrecke in vier Kantonen beinhaltet?
Die grösste Herausforderung war die Gesamtkoordination des Projektes über vier Kantone mit elf Gemeinden und vier Tourismusorganisationen sowie zahlreiche private Akteure, welche sehr zeitintensiv und anspruchsvoll war. Nicht in jeder der vier Gotthardregionen war der Gedanke, die Zielgruppe der Moutainbiker zu entwickeln, gleich weit fortgeschritten. Ausserdem war die Finanzierung seitens der Trägerschaften immer wieder im Zentrum der Diskussionen. Da sich das Projekt über vier Kantone spannt musste auch in vier Kantonen mit den jeweiligen kantonalen Fachstellen kommuniziert werden, um die nötigen Bewilligungen etc. einzuholen. Die Gesamtkoordination benötigte definitiv mehr Zeit als eingeplant war. Auch war die Umsetzungsgeschwindigkeit nicht in jeder Region gleich. Die einen konnten das Projekt abschliessen, andere Regionen benötigen mehr Zeit, bis alle baulichen Massnahmen umgesetzt werden können. 

In welchen Etappen wird ein solches Projekt angegangen – wer sind die involvierten Parteien?
Potentialanalyse und Machbarkeitsstudie, Grob- und Detailplanung inkl. Berechnung der Kosten für jeden einzelnen Abschnitt im Zusammenhang mit Neubau und/oder Instandhaltung oder nur Unterhalt der Trails sowie der Beschilderung der Routen, Kommunikation gegenüber den Akteuren, Bildung von Trägerschaften zwecks Umsetzung, Sicherstellung der Finanzierung, aufgleisen von Verfahren für die nötigen Bewilligungen, Umsetzung, Qualitätskontrollen. Die Involvierten Parteien sind die betroffenen Gemeinden, Landbesitzer, Kantone resp. div. kantonale Fachstellen, SchweizMobil, die Bergbahnen, der ö.V. sowie die Tourismusorganisationen und nicht zu vergessen die Spezialisten der Firma Bikeplan, die das Projekt eng begleiten. 

Besteht da nicht die Gefahr, dass man vor lauter Zielkonflikten das «Grosse Ganze» aus den Augen verliert?
Nein, das Projekt war gut strukturiert, die Rollen der einzelnen Partner wurden klar definiert und die Spezialisten von Bikeplan haben das Gesamtprojekt professionell und vorausschauend vorangetrieben.

Mit schnellen Erfolgen ist bei solchen Projekten selten zu rechnen – gefragt sind wahrscheinlich Ausdauer und Hartnäckigkeit und ein dickes Fell. Wie kannst Du Dich jeweils motivieren, wenn’s grad mal etwas zäher läuft?
Geduld und Ausdauer gehören zu den Kompetenzen, die ein Regionalentwickler mitbringen muss. Aus Erfahrung weiss ich, dass wenn es einmal nicht grad so läuft, meistens eine Lösung gefunden werden kann, man muss einfach gewillt sein, die extra Meile zu gehen. 

 
Worauf dürfen sich Mountainbikende freuen, wenn sie die neuen Routen in diesem Sommer erstmals unter die Räder nehmen?
Einen hohen Anteil an Singletrails. Abwechslungsreiche Abfahrten mit fahrtechnisch hohem Anspruch. Atemberaubende Landschaften.

Irgendwelche persönlichen Tipps?
Unbedingt Fahrzeiten des öV beachten und gut planen, diese fahren teilweise nur wenige Male am Tag auf die Pässe. Für ein sorgloses Abenteuer eventuell einen privaten Shuttle buchen. Egal in welche Richtung du die Route unter die Räder nimmst (84 oder 85), denke daran, dass jeder Pass 2 Abfahrten hat und somit für doppelten Spass gesorgt ist.

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