Von den kargen Schotterfeldern am Mäderhorn auf fast 3000 Metern über Tannennadelteppiche bis an die Ufer der Rhone rollen – das sind 2500 Tiefenmeter, die man sich hart erarbeiten muss, die man aber gerade deshalb nicht so schnell wieder vergessen wird.
Wer die topografische Karte studiert, wird in dieser Höhenlage keine fahrbaren Trails vermuten. Wer vom Simplon Hospiz in Richtung Monte Leone hochschaut, auch nicht. Was auf der Karte mit Schraffierung als felsiger Steilaufschwung dargestellt wird, zeigt sich vor Ort als vom Gletscher glatt geschliffene Felsplatten, die mehrheitlich mit losem Gestein bedeckt sind. Und doch schlängelt sich hier im Zickzack ein gut unterhaltener Wanderweg durch, der zur Monte Leone Hütte des Schweizer Alpen Clubs führt. Auf 2848 Metern gelegen, gehören Mountainbikerinnen und Mountainbiker nicht zu den häufigsten Gästen. Das könnte sich allerdings ändern, wenn sich einmal herumgesprochen hat, welch fantastischer alpiner Singletrail von der nahen Mäderlicke mit beinahe 2500 Tiefenmetern zurück nach Brig führt.


Geschenkt wird einem hier oben allerdings nichts. Rein gar nichts. Sind die ersten zwei Kilometer noch leidlich fahrbar, so ist spätestens auf einer Höhe von 2300 Metern schieben oder buckeln angesagt. Im Chaltwassertälli nehmen zwar die fahrtechnischen Herausforderungen ab, dafür wird die Luft immer dünner – mit etwas Biss und der entsprechenden Fitness erreicht man die Hütte fahrend. Ein zwischenzeitliches Pausieren wird allerdings dringend empfohlen, denn wer nur noch den eigenen Lenker und den Trail vor sich im Blick hat, könnte den spektakulären Ausblick über den Chaltwassersee zum gleichnamigen Gletscher und dem darüber thronenden Monte Leone (3553 m) verpassen. Nach einer kurzen Hüttenrast ist die Mäderlicke (2886 m) vergleichsweise schnell erreicht, die neun Höhenmeter zum Mäderhorn ebenfalls, falls jemand einen Eintrag für das persönliche Gipfelbuch wünscht.
2500 Metert Tiefenrausch
Das Bodmertälli ist eine einzige Geröllhalde, durch die in unzähligen Spitzkehren ein Trail angedeutet ist. Sich treiben lassen, ist hier die Devise. Und das macht ordentlich Spass, weil der Untergrund nur wenig Widerstand leistet und ein guter Fahrfluss aufkommt, wenn man erst einmal locker genug in den Pedalen steht. Fliessend geht der Singletrail über in eine felsdurchsetzte Alpwiese, bevor es dann an der Bergstation des alten Skilifts von Rothwald in den Wald geht. Gerade scheint es so, als ob mit jedem Tiefenmeter auch der Trail einfacher zu fahren ist. Auf Nadelböden fliegt man dem Talboden förmlich entgegen. Aber obacht! Nach dem Gegenanstieg zum Schallberg ist nochmals ein gutes Auge für die Linienwahl und ein feines Händchen am Bremshebel gefragt, wenn es zwischen Passstrasse und Gfallte Wald durch einige fahrtechnisch anspruchsvolle Sektionen geht. Der Chräjubielwald ist dann nur noch Zugabe – eine der genussreichen Sorte allerdings.
TRAIL INFO Guscha
CHARAKTER
Die Tour zur Mäderlicke ist ein alpines Unterfangen, das entsprechende Erfahrung, Fitness und Fahrtechnik voraussetzt. Die Mehrheit der Strecke zwischen dem Simplon Hospiz und dem Chaltwassertälli (rund 500 Höhenmeter) muss das MTB getragen oder geschoben werden. Selbst mit dem E-MTB bleibt einem das wegen der technischen Herausforderungen und losem Geröll nicht komplett erspart. Die Abfahrt von der Mäderlicke ist anfangs anforderungsreich, spätestens ab Rothwald aber mehrheitlich einfach befahrbar.
Route
Postauto ab Bahnhof Brig bis Simplon Hospiz (2041 m) – Monte Leone Hütte SAC (2848 m) – Mäderlicke (2886 m) – Rothwald (1887 m) – Schallberg (1317 m) – Bleike (909 m) – Brig Bahnhof (672 m)
DETAILS
Fahrtechnik: 4/5
Distanz: 25,9 km
Höhendifferenz: hoch 1150m, herunter 2480m
SAISON
Der höchste Punkt dieser MTB-Tour liegt auf 2886 Metern – der erste ernstzunehmende Schneefall im Oktober bedeutet meist auch das Saisonende. Im Frühling ist die Strecke bei normaler Schneelage erst ab Anfang Juli möglich.
ÜBERNACHTEN / INFO
MTB-Karte: Supertrail Map Goms/Brig, 1:50 000, outdoormediashop.com
Infos: valais.ch


«Diese MTB-Tour ist von einer anderen Dimension, was Landschaft und Trailvielfalt angeht. Geschenkt wird einem im Anstieg zur Monte Leone Hütte allerdings nichts.»
Jürg Buschor
Herausgeber BORN

