Als das Team Thömus maxon Swiss Mountain Bike Racing Team Ende 2017 entstand, war das eine Notlösung. Seither hat es sich zu einem der stärksten Cross-Country-Teams der Welt entwickelt. Nun schickt es mit Alessandra Keller, Mathias Flückiger und Lars Forster drei Medaillenkandidaten an die Heim-WM in Crans-Montana. Es ist ein weiterer Höhepunkt einer ungewöhnlichen Reise.
Innerhalb des Teams Thömus maxon nennt sich das Quartett manchmal «der harte Kern»: Zu diesem gehören die Profis Alessandra Keller und Mathias Flückiger, Teamchef Ralph Näf sowie Physiotherapeut Tobias Hollenstein. Sie alle waren schon dabei, als Näf kurz vor Weihnachten 2017 mit dem Fahrradhersteller Thömus im allerletzten Moment einen neuen Hauptsponsor für sein Cross-Country-Biketeam fand und damit die Zukunft des Projekts sicherte. Dass die Bezeichnung «harter Kern» nur scherzhaft gemeint ist, wird schnell klar: Denn eigentlich gehört beim Thömus maxon Swiss Mountain Bike Racing Team jedes Mitglied zum harten Kern. In diesem wird Kontinuität gross geschrieben, sowohl bei Fahrerinnen und Fahrern wie auch beim Staff. Wechsel verzeichnet man kaum, selbst wenn es einer Athletin oder einem Athleten mal nicht ganz so läuft wie erhofft.


Lars Forster hat im Team Thömus maxon zu alter Stärke gefunden und fährt regelmässig um den Sieg.
Keine Sprachbarrieren
Die familiäre Atmosphäre im Team kommt nicht von ungefähr, sondern wird von Teamchef Näf ganz bewusst gefördert. Dazu passt die geographische Nähe aller Akteure. Der Einstieg des Schweizer Veloproduzenten Thömus passte perfekt zu seiner Vision, ein rein schweizerisches Profiteam auf höchster Ebene zu etablieren. Das hat handfeste Vorteile. Auf Stufe Weltcup fährt eine stattliche Anzahl von Schweizer Bikerinnen und Bikern in internationalen Profiteams. Wenn sie sich teamintern austauschen, tun das die wenigsten in ihrer Muttersprache, sondern meist auf Englisch, Französisch oder Hochdeutsch. Ausschliesslich Schweizerdeutsch zu hören ist nur beim Team Thömus maxon. Näf erklärt, weshalb ihm das viel bedeutet: «Im zwischenmenschlichen Bereich kannst du nur ein solches Teamgefüge aufbauen, wenn alle dieselbe Sprache sprechen. Zudem sagte ich mir: Es gibt so viele Schweizer Talente – warum arbeiten wir nicht mit diesen?» Auch Mathias Flückiger sieht die Vorteile: «Klar ist es auch interessant, wenn du mit einem Amerikaner oder einem Spanier im Team bist. Aber da treffen trotzdem verschiedene Welten aufeinander.» Der Berner weiss das aus eigener Erfahrung, denn zu Beginn seiner Profikarriere fuhr der 36-Jährige für das US-Team Trek. «Aber ich bin überzeugt, dass unsere Swissness einer der grossen Erfolgsfaktoren ist. Es gibt viel weniger Missverständnisse, wenn man dieselbe Sprache spricht. Und viele Auseinandersetzungen in einem Team entstehen genau so», so Flückiger. Mechaniker Gavin Black ist der einzige Nicht-Schweizer, lebt aber seit vielen Jahren hier. Näf sagt über den Schotten, dass dieser in vielen Dingen schweizerischer sei als sie alle.


Eine verschworene Truppe – die gute Stimmung im Schweizer Thömus maxon Team ist einer der Erfolgsfaktoren. Auch an der WM im Wallis?
Notlösung als Glücksfall
Der Fokus auf die Swissness war nicht von Anfang an festgelegt. Wie zu Beginn vieles nicht fix war. Es ging um Grundlegenderes: um das Bestehen des Teams. Näf hatte Ende 2017 seine zweite Saison als Teammanager hinter sich. Und er zum zweiten Mal ohne Hauptsponsor da. 2015 war er vom damaligen Stöckli-Bike-Team direkt nach seinem Rücktritt als Bikeprofi engagiert worden. Nach einer Saison entschloss sich der Skihersteller überraschend, die Bikesparte einzustellen. Mit dem deutschen Bikehersteller Radon fand Näf kurzfristig einen neuen Ausrüster, die Teaminfrastruktur kaufte er Stöckli ab. Nach einer Saison zogen sich jedoch auch die Deutschen zurück. Es gab dann zwar lose Interessenten, aber zu einem Vertragsabschluss kam es nicht. So stand Näf noch im Dezember ohne Hauptsponsor da. Aufzugeben stand für Näf ausser Frage. Einerseits hatte er als Privatperson ins Team investiert. Andererseits glaubte er an das Potential der Struktur sowie seiner beiden Aushängeschilder Alessandra Keller und Mathias Flückiger. Sie war damals die U-23-Fahrerin, die vorzeitig in die Elite gewechselt und da gleich mehrere Podestplätze erzielt hatte. Er war einer der talentiertesten Fahrer im Weltcup, der immer mal wieder einen Podestplatz herausfuhr. Nur mit einem Sieg wollte es nicht klappen. Also traf sich Näf kurz vor Weihnachten erstmals mit Thomas «Thömu» Binggeli, dem Gründer der Berner Bikefirma Thömus. «Er konnte uns nicht sehr viel bieten. Aber ich wusste, dass er das, was er versprach, halten würde», erinnert sich Näf. Deshalb entschied er sich für die «Notlösung», wie er den ersten Sponsorenvertrag mit Thömus im Rückblick nennt. Statt der erhofften etablierten Marke hatte er nun einen Bike-Hersteller als Hauptsponsor, dem die jahrelange Erfahrung im Profisport abging. Was überwog, war die gemeinsame Wertebasis: die Liebe für die Menschen und fürs Velo an sich. Auch die Athleten machten Abstriche, beim Salär etwa. «Die Saisons 2017, 2018 und 2019 waren für mich ein Investment», sagt Flückiger. Eines, das er gerne einging, weil er wie Näf vom Teamgefüge überzeugt war.


Medallienkandidatin Alessandra Keller ist seit Beginn Teil von Thömus maxon.
Videoserie Race Back Home
Anlässlich der Heim-WM 2025 in Crans-Montana produzierte das Thömus maxon mit Unterstützung von Thömus und weiteren Partnern eine mehrteilige Video-Serie. Unter dem Titel «Race Back Home» beleuchtet diese die Geschichte des Teams sowie dessen unmittelbare Vorbereitung auf die Titelkämpfe im Wallis. Die Episoden werden bis zur WM alle zwei Wochen unter www.racebackhome.ch veröffentlicht.
Flückigers erster Weltcup-Sieg
Tatsächlich stellte sich der Erfolg rasch ein: In der ersten Thömus-Saison gelang Flückiger beim Weltcup in Mount St. Anne der langersehnte Premierensieg. Im Nachhinein darf man es verraten: Er fuhr diesen nicht auf dem damals erhältlichen Thömus-Bike ein. Sondern auf dem drei Jahre zuvor von ihm mitentwickelten Stöckli-Bike, das mit Thömus-Aufklebern versehen worden war. Das änderte sich aber bald. «Wir pushten Thömus extrem, dass sie für uns ein Racebike bauten. Und nach dem ersten Weltcup-Sieg hatte Thömu Binggeli Blut geleckt», erinnert sich Näf. Aus dem kurzfristigen Engagement, das dieser aus Goodwill eingegangen war, entstand ein langfristiges Projekt. Mittlerweile arbeitet bei Thömus ein Bike-Ingenieur, dessen einzige Aufgabe es ist, die Weiterentwicklungen fürs Profiteam voranzutreiben. Die Basis wurde schon in der Folgesaison 2019 breiter aufgestellt mit dem Nachwuchsteam Thömus Akros Young Stars, mit dem Nachwuchsfahrer bereits früh ins Thömus-maxon-Universum integriert werden. Auch der Personal- und Materialaufwand stieg seit der Debütsaison beträchtlich. In der Rolle des Teammanagers war Näf in den Anfangszeiten auch «Mädchen für alles», half etwa abends dem Mechaniker aus, indem er Tubeless-Pneus montierte. Statt zu viert reist man heute zu acht an ein Weltcuprennen. Statt nur eines kleinen Campers gehört nun auch ein 26-Tonnen-LKW fürs ganze Material zum permanenten Fuhrpark.


Ralph Näf hat dank seiner Hartnäckigkeit einen erfolgreichen Rollenwechsel vorgenommen – vom siegreichen Rennfahrer zum erfolgsverwöhnten Teammanager.
Netzwerk als Erfolgsfaktor
All dies bedeutete auch finanziell deutlich höhere Aufwände. Das Teambudget von Thömus maxon hat sich laut Näf seit 2018 verzehnfacht. Nicht weil sich Thömus deutlich stärker engagierte, sondern weil es dem Teamchef gelang, Sponsoren von ausserhalb der Bikebranche von einem Engagement zu überzeugen. Mit dem Elektromotoren- und Antriebshersteller maxon kam 2022 ein zweiter Titelsponsor dazu. «Damit sind wir im Weltcup eine Ausnahme. Wir schafften das nur dank den persönlichen Netzwerken von Thömu Binggeli und mir», sagt Näf. Generell wird im internationalen Rennzirkus mittlerweile sehr genau registriert, wie Thömus maxon agiert. So entstanden seither mehrere ähnlich aufgebaute, rein national finanzierte Equipen mit Spitzenathleten. Thömus maxon wuchs gemeinsam mit seinen Athleten. Allen voran Mathias Flückiger, der seit 2018 sechs Weltcupsiege, drei WM-Silbermedaillen und Olympiasilber in Tokio 2021 feiern konnte. Über die Saison 2021 sagt er heute: «Sie ging wie durch Butter.» Neben den Silbermedaillen bei Olympia und WM gewann er auch den Gesamtweltcup. Auch die heute 29-jährige Alessandra Keller schrieb Teamgeschichte: 2022 krönte sie sich zur Gesamtweltcup-Siegerin im Cross Country und gewann zusätzlich die Short Track-Wertung – ein Doppelerfolg, der sie zur Nummer 1 der Welt machte.


Vitalin Alban wird gemeinsam mit starker Unterstützung bei der Heim-WM im Wallis starten.
Krisen gemeinsam meistern
Alles schien perfekt. War es doch nicht: Bei Flückiger wurde im August 2022, nach einem weiteren erfolgreichen Saisonstart, eine vermeintlich positive Dopingprobe publik. Der Fahrer bestritt jegliches Fehlverhalten. Es begann ein Spiessrutenlauf, das ihn beinahe aus seinem geliebten Sport getrieben hätte, denn der falsche Dopingvorwurf setzte ihm psychisch zu. Erst nach zwei Jahren wurde er definitiv freigesprochen. «Ich glaube nicht, dass ich bei einem anderen Team nach ‹dieser Sache› die Rückkehr geschafft hätte», sagt er und kommt damit wieder auf den Spirit zu sprechen, der das Team Thömus maxon prägt. Einen Spirit, der das Team zu dem gemacht hat, was es heute ist: «fascht e Familie». Auch wenn er zu bedenken gibt, dass diese Episode bis heute Auswirkungen auf sein Leben hat, kann er nun wieder optimistisch vorausschauen. Gerade jetzt, da eine Heim-WM ansteht. Er und Teamkollegin Alessandra Keller werden im Wallis zu den Medaillenkandidaten gehören. Bei der Nidwaldnerin war das vor der Saison nicht selbstverständlich: Sie hatte sich im Herbst am Kreuzband operieren lassen. Dass sie definitiv zurück ist, bewies sie zuletzt Anfang Juli, als sie souverän zum dritten Mal Schweizer Meisterin wurde. Um diesen Status zu rechtfertigen, hat das Team einiges in Bewegung gesetzt: In Crans-Montana setzt man erneut auf das für die Olympischen Spiele in Paris entwickelte Modell Lightrider R3 Worldcup (siehe Infokasten). Zudem testete man zusammen mit Swiss Cycling auf der WM-Strecke intensiv Pneus und Dämpfer. Die unmittelbare WM-Vorbereitung absolvieren alle Thömus-maxon-Athleten in einem gemeinsamen Höhentrainingslager. Das Team wird mit seinem kompletten Eliteteam ins Wallis reisen: Neben Keller und Flückiger dürften auch Lars Forster und Vital Albin zum Schweizer WM-Aufgebot gehören. Der zweifache Europameister Forster stiess 2023 zum TWm Thömus maxon und hat nach einer starken Saison ebenfalls Medaillenambitionen, der Bündner Albin ist seit 2019 dabei und hat sich zum Top-10-Fahrer entwickelt.


Überflieger: Mathias Flückiger ist nicht nur einer der erfolgreichsten Schweizer Rennfahrer, sondern auch einer der Team-Leader.
WM-Coup dank neuer Methoden?
Als eines der Top-Teams im Cross-Country-Rennsport lässt man bei Thömus maxon nichts unversucht, um seinen Athleten auch an der Heim-WM optimal zu unterstützen – und geht dabei neue Wege. In der Vergangenheit war es üblich, dass Teams einzelne Staffmitglieder an Swiss Cycling abstellten, damit etwa die Spitzenkräfte auch beim wichtigsten Rennen des Jahres auf ihre persönlichen Mechaniker vertrauen konnten. Nun entschied man sich, für Crans-Montana den Support seiner Athleten neu aufzustellen: Diese werden auch an der WM von jenen Personen betreut, die an jedem anderen Rennen für sie verantwortlich sind. Er kann sich dies auch herausnehmen, weil Thömus maxon innerhalb des Schweizer Teams eine zentrale Rolle spielt: Etwa acht seiner Elite- und Nachwuchs-Fahrerinnen und Fahrer – knapp ein Drittel aller Schweizer Cross-Country-Starter – werden im Wallis dabei sein. «Das ist für uns ein Megavorteil. Eine Heim-WM kann mental ins Positive oder ins Negative ausschlagen», sagt Alessandra Keller. «Nun werden wir mit jenen Leuten sein, mit denen wir das ganze Jahr verbringen und uns blind verstehen.» Näf bestätigt: «Der Druck ist so schon genug gross.» Zumindest, bis der Startschuss gefallen ist und sie über die Strecke brausen. Dann soll das Positive überwiegen: «Die Stimmung an einer Heim-WM ist einmalig. Sie treibt dich an, bringt dich fast von alleine den Berg hoch», ist Näf überzeugt.
Thömus Lightrider R3 Worldcup
Im Vorfeld der Olympischen Spiele in Paris hat Thömus gemeinsam mit dem Team Thömus maxon das Lightrider R3 Worldcup entwickelt – ein Race-Bike, das in enger Zusammenarbeit mit Weltcup-Athlet:innen wie Alessandra Keller und Mathias Flückiger entstanden ist. Ziel war es, ein kompromissloses Wettkampfgerät zu schaffen: leicht, direkt und voll auf Performance getrimmt. Der Rahmen aus ultrahochmodularen 60T-Carbonfasern wiegt inklusive Dämpfer lediglich 1876 Gramm. Die neu abgestimmte Kinematik mit zentral platzierter Anlenkung sorgt für ein sensibles Ansprechverhalten sowie hohe Antriebsneutralität – ideal für anspruchsvolle Worldcup-Strecken. Das Lightrider R3 Worldcup kommt mit je 120 mm Federweg im Race-Setup. Für den Downcountry-Einsatz ist eine Variante mit bis zu 130 mm Federweg an der Front verfügbar. Ein besonderes Highlight sind die massgeschneiderten Schweizer WIB-Kugellager aus Bulle – entwickelt in einem individuellen Design speziell für das R3 Worldcup. Diese sorgen für maximale Effizienz und Langlebigkeit, auch unter Extrembedingungen. Schon in seiner ersten kompletten Saison feierte das Bike internationale Erfolge: Gesamtsieg im Cross-Country-Weltcup und zahlreiche Podestplätze, die das Potenzial dieses Bikes eindrucksvoll unter Beweis stellte. Ganz im Zeichen echter Swissness wurde das Lightrider R3 Worldcup vollständig in der Schweiz entwickelt und designt. Jedes Bike wird individuell am Thömus-Hauptsitz aufgebaut, die Ausstattung ist frei konfigurierbar – vom Antrieb bis zur Ergonomie. Hier gehts zum Bike.

