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Irdische Fahrfreude
himmlische Technik

Text: Martin Platter
31.08.2021

Mars-Technik

Ende 2016 sorgte Bikehersteller Transalpes mit seinem E-Mountainbike-Erstling e+ bei der trailbegeisterten Klientel auf Anhieb für Anerkennung. Und auch das neue Transalpes E1 bleibt bezüglich Fahrspass seinen Wurzeln treu. Mit dem Schweizer E-Motorenhersteller Maxon setzt Transalpes auf ausserirdische Technik-Kompetenz.

«Man muss nicht mehr auf den Mars, um überirdischen Fahrspass zu erleben. Mit dem Transalpes e1 geht das nun auch in den Alpen.» Diese selbstbewusste Aussage von Transalpes-Inhaber Michel Juhasz ist nicht nur Werbung für das neue E-Moutainbike der Bikemanufaktur aus dem Säuliamt, einem ländlich geprägten Bezirk 20 Kilometer ausserhalb von Zürich. Juhasz assoziiert dies auch mit dem neuen Motorenlieferanten Maxon, dem Schweizer Elektromotorenproduzenten, der mit der Bestückung des Mars-Rovers internationale Anerkennung erlangte.

Diese Neuigkeiten lösen gute Erinnerungen an eine abenteuerliche Tour mit dem E-MTB-Erstling Transalpes e+ aus. Im Winter 2017 hatte sich der Autor mit dem damaligen Transalpes-Geschäftsführer Stefan Gruber zu einer E-Bike-Tour über die Rigi aufgemacht. Auf schneebedeckten Trails hoch, wo man als Biker normalerweise runterfährt: Von Arth über den Polenweg auf die Seebodenalp und von da auf dem steilen Wanderweg direkt auf die Rigi. Gruber pilotierte das Transalpes e+ mit dem deutschen Brose-Antrieb – das leichte e+ gab sich keine Blösse. Es überzeugte durch Wendigkeit, machte sowohl bergauf als auch bergab eine gute Figur und benötigte dabei verblüffend wenig Energie. Dennoch wurde es zwischenzeitlich ruhig um den Transalpes-Stromer. «Bei der Zusammenarbeit mit dem Motorenlieferanten hat die letzte Konsequenz gefehlt. Die wäre aber nötig gewesen, um das e+ weiterzuentwickeln», erklärt Juhasz. Ihn störte vor allem das relativ hohe Gewicht von mehr als 20 Kilo, die das e+ wog. Deshalb schaute sich Juhasz nach einem neuen Motorenlieferanten um und stiess bei Maxon beziehungsweise bei deren Geschäftsführer Eugen Elmiger, einem bekennenden E-Bike-Fan, auf offene Ohren. «Unsere Wurzeln liegen klar beim muskelgetriebenen Mountainbike. Diesem Erbe wollen wir mit dem E1 künftig noch deutlicher nachleben», sagt Juhasz. Maxon habe sich mit dem neuen Bikedrive Air als idealer Partner angeboten. Der leichte, kompakte und leise Zentralantrieb, der in der Schweiz hergestellt wird, sei die perfekte Ergänzung für das neue E1, so Juhasz. Durch die enge Zusammenarbeit habe der Motor samt Akku fast unsichtbar in den neuen Carbonrahmen des E1 integriert werden können.

Ist das ein E-Bike? Das neue Transalpes E1 mit dem verbauten Maxon Bikedrive Air Antrieb ist kaum als E-MTB zu identifizieren.
Foto: Transalpes
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Ist das ein E-Bike? Das neue Transalpes E1 mit dem verbauten Maxon Bikedrive Air Antrieb ist kaum als E-MTB zu identifizieren.
«Optisch ist praktisch kein Unterschied zwischen unseren Bikes und E-Bikes feststellbar», sagt Juhasz. Das Transalpes e1 besitze bezüglich der Rahmenabmessungen und Geometrie eine identische DNA wie die unmotorisierten Bikes C2 und C2X. Will heissen: Der filigrane 250-Wh-Akku ist im Unterrohr verstaut, ebenso der Maxon Bikedrive Air, der lediglich 1,9 Kilogramm wiegt. Um Gewicht zu sparen und den Carbonrahmen möglichst stabil zu halten, lässt sich die Batterie allerdings zum Laden nicht entfernen. Ein Range Extender findet im Flaschenhalter am Unterrohr Platz und soll nochmals bis zu 250 Wh Extrapower liefern.

«Man muss nicht mehr auf den Mars, um überirdischen Fahrspass zu erleben.»

Michel Juhasz, Inhaber Transalpes
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Der Maxon Bikedrive Air Antrieb, der das neue Transalpes E1 antreibt.
Foto: Transalpes
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Der Maxon Bikedrive Air Antrieb, der das neue Transalpes E1 antreibt.
Der Maxon Bikedrive Air Antrieb, der das neue Transalpes E1 antreibt.
15.8 kg wiegt das motorisierte Light-Enduro mit 130 Millimeter Hinterbau, 140 Millimeter Federgabel und 29-Zoll-Rädern in seiner leichtesten Konfiguration. Und bei ausgeschaltetem Motor soll es sich wie ein Muskelbike fahren. Möglich macht das ein spezieller Freilauf, der sowohl beim Vorwärts- als auch beim Rückwärtspedalieren keinen spürbaren Widerstand aufweist. Bei eingeschaltetem Motor stehen bis zum Maximaltempo von 25 km/h 30 Newtonmeter Drehmoment und Unterstützung bis zu einer Tretkadenz von 120 Pedalumdrehungen pro Minute zur Verfügung. Aufhorchen lässt die Geräuschkulisse, die nur bei langsamem Tempo und genauem Hinhören vernehmbar ist. Mit steigendem Tempo übertönen dann schnell die Reifen- und Windgeräusche den Motorensound. Himmlisch ruhig könnte man sagen– und ohne dass man sich dafür extra auf den Mars schiessen lassen muss.

«UNSER QUALITÄTSANSPRUCH IST NICHT VERHANDELBAR»

Mit der Entwicklung der Antriebe für den Nasa Mars-Rover erlangteMaxon internationales Renommee. Doch das Schweizer Elektronikunternehmen mit eigener Produktion in Sachseln gehört auch zu den Pionieren im Antriebsbau für E-Bikes, bereits im Jahr 2000 lieferte es Bauteile für den Gruber-Assist, dem im Sattelrohr integrierten Zentralantrieb, der direkt aufs Tretlager wirkt. Im Interview mit Born spricht Maxon-Geschäftsführer Eugen Elmiger über den neuen Zentralantrieb «Bikedrive Air» und die Grenzen im Motoren-Leichtbau, übt aber auch Selbstkritik an der bisherigen Firmenpolitik.
Mit einem Augenzwinkern haben Sie mal gesagt, dass die Mars-Rover-Entwicklung ein Kinderspiel war, verglichen mit der des Elektroantriebs fürs Fahrrad. Worin lagen die Schwierigkeiten?

Die Entwicklung der Mars-Antriebe war natürlich kein Kinderspiel und nahm mehrere Jahre in Anspruch. Was ich damit meinte, ist: Die Rahmenbedingungen auf dem Mars sind relativ klar. Ein Mountainbike-Antrieb dagegen wird bei allen Wetter- und Temperaturbedingungen auf jedem Terrain von den unterschiedlichsten Leuten gefahren. Da ein Pflichtenheft zu definieren, damit der Antrieb hält und möglichst vielen Leuten Spass macht, ist eine echte Herausforderung.
Wie waren die Reaktionen, als die ersten Muster des Bikedrive Air publik wurden?

Durchs Band positiv. «Endlich mal kein Panzer», war ein oft gehörtes Lob, denn E-Bikes wiegen mit herkömmlichen Zentralantrieben heute meist deutlich mehr als 20 Kilo. Mit dem Bikedrive Air
dagegen sind Gesamtgewichte beim Mountainbike um 15,5 Kilo möglich. Beim Rennrad sind`s sogar nur 10,5 Kilo.
Welche Bestandteile des Bikedrive Air werden bei Maxon entwickelt und gebaut?

Das gesamte Antriebssystem bestehend aus Getriebemotor mit Freilauf, Batterie-Management-System (BMS), und Einzelteilen. Die Akkus haben wir nur für die Prototypen selbst gepackt. Das wird künftig eine Firma in Europa für uns machen. Es wird ein nachhaltiges Swiss-Made-Produkt.
Wie entstand die Zusammenarbeit mit Transalpes?

Den Kontakt hat Roland Abächerli hergestellt, der bereits die Entwicklung des Bikedrive-MX25-Nabenmotors zusammen mit dem früheren Mountainbike-Downhill-Weltmeister und Crosscountry-
Europameister Albert Iten mitgeprägt hat. Transalpes-Inhaber Michel Juhasz musste nicht lange vom neuen Bikedrive Air überzeugt werden. Per Handschlag haben wir die Zusammenarbeit besiegelt.
Werden alle Motorenteile in der Schweiz produziert?

Der ganze Motor-Getriebe-Antrieb stammt von Maxon. Das Getriebe kommt aus unserem Werk in Süddeutschland.
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«ICH SCHÄTZE, DASS MAN BEI UNSEREM MITTELANTRIEB NOCH 200 BIS 300 GRAMM
EINSPAREN KÖNNTE.»

Eugen Elmiger, CEO von Maxon
Wie stark bzw. in welchen Bereichen spürt Maxon in Corona-Zeiten die Abhängigkeit vom Ausland?

Die Grundmaterialien wie Magnete und andere Rohstoffe kommen aus dem Ausland, weil wir in der Schweiz keine eigenen Vorkommen haben. Wir spüren gewisse Verzögerungen vor allem
bei den Elektronikkomponenten; ebenso bei den Kunststoffen, die wir aus Asien beziehen. Aber wir haben grosse, gut gefüllte Lager für die strategisch wichtigen Ausgangsprodukt.
Wie viele Bikedrive Air planen Sie zu produzieren?

2021 werden es 250 Stück sein. Nächstes Jahr wollen wir mindestens 500 produzieren. Ab 2023 haben wir eine Kapazität für bis zu 12’000 Einheiten jährlich.
Hat Maxon geplant, später auch Motoren nach Muster der grossen Anbieter Bosch, Yamaha, Shimano und Panasonic zu bringen?

Nein, denn dieser Markt ist gut besetzt. Wir wollen im Leichtbau bleiben, auch wenn wir so nicht ganz die Drehmomentfülle bieten können, die unsere Mitbewerber versprechen. Unsere Leistungsangaben sind dafür eher konservativ. Die 30 Nm Dauernenndrehmonent, die wir für den Bikedrive Air versprechen, werden selbst in einem Carbonrahmen mit fehlender Wärmeableitung erreicht. In einem Alurahmen mit guter Wärmeableitung sind`s sogar 40 Nm – und das erst noch fast vollkommen geräuschlos.
Wo sieht Maxon das Ende der Fahnenstange bezüglich des Gewichts?

Ich schätze, dass man bei unserem Mittelantrieb noch 200 bis 300 Gramm einsparen könnte. Irgendwann steigt der Preis jedoch exponentiell, wenn man beispielsweise mit leichteren Materialien wie Titan arbeitet. Zudem wollen wir möglichst keine Kompromisse in der Haltbarkeit eingehen. Wir haben einen Qualitätsanspruch, der nicht verhandelbar ist. So, wiebei unseren Produkten in der Medizinalbranche oder beim Mars-Rover der Nasa.
Wie hoch sind die Entwicklungskosten für den Bikedrive Air bisher gewesen?

Eine Million Franken reicht nicht ganz. Wir können die Investitionen jedoch teilen mit anderen hausinternen Entwicklungsplattformen für den Markt der Intralogistik, der stark am Boomen ist.
Weltraumtechnik für den Trail: Maxon hat bereits für den Nasa Mars-Rover den E-Antrieb entwickelt, mit dem Bikedrive Air setzen sie auf Schweizer Boden anstatt auf roten Sand.
Foto: NASA/JPL
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Weltraumtechnik für den Trail: Maxon hat bereits für den Nasa Mars-Rover den E-Antrieb entwickelt, mit dem Bikedrive Air setzen sie auf Schweizer Boden anstatt auf roten Sand.
Weltraumtechnik für den Trail: Maxon hat bereits für den Nasa Mars-Rover den E-Antrieb entwickelt, mit dem Bikedrive Air setzen sie auf Schweizer Boden anstatt auf roten Sand.
Wer hat Maxon inspiriert bei der Entwicklung des Bikedrive Air?

Das war die sich verändernde Marktsituation. Wir waren lange Zeit der Ansicht, dass ein Nabenmotor das Nonplusultra für einen E-Bike-Antrieb ist, denn wir wollten nicht in die gleiche Richtung wie das Gros unserer Mitbewerber. Als sich abzeichnete, dass die Nachfrage nach Leichtantrieben steigt, wussten wir: Das ist auch unser Ding.
Maxon zählte sowohl mit dem Gruber-Assist als auch mit dem Bikedrive X25 zu den Pionieren auf dem Markt. Erfolg hatten jedoch konzeptionell ähnliche Konkurrenzprodukte. Ärgert Sie das?

Das ärgert mich sehr. Wir haben Zeit, Marktanteile und Kunden verloren, weil wir nicht geliefert haben. Mit dem Bikedrive Air soll sich das nun aber ändern.
Was hat in der Vergangenheit gefehlt?

Es hat am mutigen Entscheid zugunsten des Produkts gefehlt. Nun liegt dieser vor und wir sind sehr zuversichtlich, dass unser Leichtantrieb Erfolg haben wird.
Wie hat die Fahrradbranche auf den Bikedrive Air reagiert?

Sehr interessiert. Wir stehen bereits in Kontakt mit weiteren namhaften Fahrradherstellern.

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