Ein superstarker Power-Motor, Velos mit hohen Akku-Reserven für lange Touren oder doch lieber ein Light-Antrieb für spielerisches Handling? Noch nie war die Auswahl an E-MTBs grösser als diese Saison. Unterschiedlichste Bike-Konzepte machen die Kaufentscheidung nicht leichter.
E-Mountainbikes mit Light-Antrieben sind schwer im Kommen. Gleichzeitig sorgt am anderen Ende der Fahnenstange Boschs neuer Power-Antrieb «CX Performance Race» für Furore. Das Kräftemessen der Antriebskonzepte ist in vollem Gange. Doch was macht ein gutes E-MTB aus? Die Antworten auf diese Frage dürften so vielfältig sein wie Charakter, bevorzugte Trails und Können der Fahrer und Fahrerinnen, die sie stellen.
Wie stark ist stark genug?
«Viel hilft viel!» Wirklich? Tatsächlich ist es wie bei der PS-Zahl von Autos. 1000 Pferdestärken wie in der Formel 1 mögen für die weltbesten Rennfahrer Sinn machen. Doch wer per Pkw in die Arbeit pendelt und ab und zu mit seiner Familie in den Urlaub fährt, wird die Prioritäten anders setzen. Bei E-Mountainbikes ist das nicht anders. Die Nennleistung fast aller E-MTB-Antriebe liegt bei 250 Watt. Markante Unterschiede gibt es beim Drehmoment, welches sich auf die Beschleunigung auswirkt, beim Unterstützungsgrad und bei der kurzfristigen Maximalleistung des Motors. Die stärkste Durchzugskraft entwickeln Antriebe wie der Bosch Performance CX, der Shimano EP8 oder die Antriebe von Brose und Yamaha. Bosch toppt nun sogar noch sein eigenes, bisheriges Spitzenmodell mit der neuen «CX Performance Race»-Variante. Das Tuning des Motors ist beim Bergstrom ATV C 969 R klar spürbar: Bei 100 W Fahrerleistung legt der CX Race 400 W Motorleistung obendrauf. Hier kann von den getesteten Bikes nur noch das Specialized Turbo Levo mithalten, welches jedoch merklich weniger spritzig reagiert. Das «Race» im Modellnamen nimmt man bei Bosch jedenfalls wörtlich. Die Zielsetzung für diesen Antrieb ist klar der Renneinsatz. Die Unterstützung mit der vierfachen Pedalkraft und einem kräftigen Drehmoment von 85 Newtonmetern verwandelt das Bergstrom in einen heissblütigen Bergsprinter. Nicht zuletzt deshalb, weil der Antrieb recht abrupt einsetzt, und die Regelung der Kraftübertragung per Software auf höchste Ansprüche von Rennfahrern ausgelegt ist.
Auf eine smoothe Motorsteuerung haben die Motorentwickler zugunsten maximaler Beschleunigungswerte verzichtet. «Extended Boost» nennt Bosch den Nachlauf des Motors, der nicht sofort stoppt, sobald man keine Kraft mehr aufs Pedal gibt. Könner bewältigen damit schwierige Schlüsselstellen leichter, zum Beispiel Uphill-Stufen. Fahrtechnisch weniger versierte Biker dagegen müssen aufpassen, dass sie der CX Race an kniffligen Steilpassagen nicht abwirft, oder ihnen in engen Kurven nicht der Gaul durchgeht.
Auf eine smoothe Motorsteuerung haben die Motorentwickler zugunsten maximaler Beschleunigungswerte verzichtet. «Extended Boost» nennt Bosch den Nachlauf des Motors, der nicht sofort stoppt, sobald man keine Kraft mehr aufs Pedal gibt. Könner bewältigen damit schwierige Schlüsselstellen leichter, zum Beispiel Uphill-Stufen. Fahrtechnisch weniger versierte Biker dagegen müssen aufpassen, dass sie der CX Race an kniffligen Steilpassagen nicht abwirft, oder ihnen in engen Kurven nicht der Gaul durchgeht.
Die «Full Power» E-MTBs im Test:
Rückenwind statt Turbo
Light-Antriebe dagegen sind zwar wesentlich leichter als die oben genannten Systeme, sie fallen aber auch in Sachen Unterstützung und Drehmoment eher schlank aus. So liefert etwa der Maxon Light Antrieb am Transalpes E1 Enduro nur ein maximales Drehmoment von 40 Nm – und damit noch nicht einmal die Hälfte der oben genannten Motoren. An steilen Rampen oder auf ruppigem Untergrund macht sich das in aller Deutlichkeit bemerkbar. Ist das Transalpes also ein weniger gutes Bike? Eindeutig nein. Stattdessen punktet das E1 Enduro mit einem spürbar geringeren Gewicht, und daraus resultierend deutlich agilerem Handling. Einen goldenen Mittelweg zwischen diesen beiden Extremen beschreitet das BH iLynx Trail Carbon Pro 8.9. Dieses stellt immerhin ein «mittleres» Drehmoment von 65 Nm zur Verfügung – bei einem Gesamtgewicht von 20,5 kg inklusive Range-Extender.
Möge der Saft mit euch sein
Ähnlich wie bei der Motorleistung mag man auch beim Akku versucht sein, reflexartig zur grösstmöglichen Variante zu greifen. Diese Entscheidung macht auch Sinn, wenn man an die 2000 Höhenmeter am Tag anpeilt und den Akku nicht nachladen kann. Doch wer fährt schon 2000 Höhenmeter pro Tag? Umfragen haben gezeigt, dass die meisten E-Biker deutlich kürzere Touren unternehmen, für die Akkus mit Kapazitäten um die 600 Wh ausreichen. Auf Nummer sicher zu gehen, und sich trotzdem für einen grösseren Akku zu entscheiden, birgt einen klaren Nachteil. Grosse, wuchtige Akkus machen das E-MTB nicht nur weniger handlich, wenn es über einen Weidezaun gehievt werden will. Auch die Fahreigenschaften ändern sich. Schwerere Bikes liegen zwar in der Regel satt und sicher auf dem Trail, doch man erkauft sich diesen Vorteil klar auf Kosten der Agilität. Das Bike in die Kurve zu legen oder sich damit vom Boden abzudrücken, kostet ungleich mehr Kraft als mit einem leichteren Bike.
Die Lösung für Leichtgewichtige
Das spürbar agilere Handling der Bikes mit Light-Antrieben kommt nicht nur, aber insbesondere leichtgewichtigen Fahrern und Fahrerinnen entgegen, die sich mit «Böcken» um die 25 Kilogramm im wahrsten Sinne schwertun. Und die Gewichtsunterschiede im Testfeld sind eklatant. Das Bergstrom ATV C 969 R als schwerstes, und das Transalpes E1 Enduro als leichtestes Bike im Test trennen satte 7,2 kg. Diese Differenz resultiert jedoch nur teilweise aus den kleineren, weniger leistungsstarken Motoren. Einen deutlich höheren Anteil haben die Batterien. Die Entwickler von Light-E-MTBs arbeiten mit einem Trick. Die weniger antriebsstarken Light-Motoren verbrauchen weniger Energie, also kommen sie bei vergleichbarer Reichweite mit kleineren Akkus aus. Auch hier geht BH einen interessanten Mittelweg: Im iLynx Trail Carbon Pro 8.9 steckt eine 540-Wh-Batterie, die sich bei Bedarf mit einem Range-Extender um zusätzliche 180 Wh erweitern lässt. Die Gesamtkapazität von dann 720 Wh reicht beinahe an die Monsterakkus mit 750 Wh in deutlich schwereren E-MTB-Modellen heran – bei immer noch geringerem Stromverbrauch des von ihnen versorgten Motors. Dieses Beispiel dürfte gerne Schule machen. Schliesslich wären variable Systeme mit Zusatz-Akku auch bei herkömmlichen E-MTBs eine Möglichkeit, das Gewicht zu drücken. In diesem Fall müsste man nur noch bei Bedarf, wenn eine lange Tour ansteht, grössere Kompromisse beim Bike-Handling eingehen.
«Für leichtgewichtige Rider oder Frauen sind Light-E-MTBs ein echter Game Changer!»
Die Light- und Mid-Assist Bikes im Test:
Fazit
E-Bikes mit Light-Antrieben machen E-Mountainbikes für neue Zielgruppen attraktiv. Nun finden auch fliegengewichtige Biker und Bikerinnen Modelle, mit denen sie als Pilot statt als Passagier unterwegs sind. Doch auch schwerere Fahrer und Fahrerinnen, für die ein verspieltes, leichtfüssiges Fahrverhalten im Mittelpunkt steht, kommen damit auf ihre Kosten. Einige Light-Modelle sind fast genauso agil, wie man es von Bio-Bikes ohne Elektrounterstützung gewöhnt ist. Wer den Fokus auf Trailspass legt, wird die nötigen Abstriche bei der Uphill-Performance verkraften können. Für Rennfahrer, die das Maximum an Unterstützung suchen, lohnt ein Blick auf ein Bikemodell mit einem Bosch Performance CX Race Antrieb.