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Durchs wilde
Kirgistan

Text: Thomas Werz
06.08.2019

René Wildhaber und Tom Öhler

Das Bike hat René Wildhaber schon in viele Länder der Welt geführt. In ­Kirgistan faszinierte ihn nicht nur die einsame Natur, sondern vor allem die Lebensweise der Nomaden. Eine Reise, die Demut lehrt.
Der verschneite Gipfel des Pik Lenin (7134 Meter) im Rücken: Die Spuren der kirgisischen Pferde bieten sich hervorragend als Single­trails zum Biken an.
Foto: Dan Milner
Durchs wilde Kirgistan
Der verschneite Gipfel des Pik Lenin (7134 Meter) im Rücken: Die Spuren der kirgisischen Pferde bieten sich hervorragend als Single­trails zum Biken an.
René, wie entstand die Idee, Kirgistan mit dem Mountainbike zu erkunden?
Dan Milner und ich waren 2017 zusammen in Chile unterwegs. Am Lagerfeuer diskutierten wir, wo wir unsere Bikes nochmal ausfahren wollten. ­Kirgistan war bei uns beiden ganz oben auf der Liste. Später fragten wir Tom Öhler, ob er auch mitkommen möchte, und der war sofort begeistert von der Idee. Die Zutaten für ein cooles Abenteuer in Kirgistan stellten wir uns perfekt vor: Faszinierende Natur, Singletrails, Übernachten bei den Nomaden in Jurten und unter freiem Himmel, zudem eine schwache Infrastruktur und dadurch genügend schwierige Herausforderungen.

Du wolltest ja im Anschluss noch auf den Pik Lenin, hat das geklappt?
Berge faszinieren mich seit frühester Jugend. Klar würde ich gerne mal den 7134 Meter hohen Peak Lenin besteigen. Das braucht aber enorm viel Vorbereitung und spezielle Ausrüstung. Das noch mit einer Bike-Reise zu kombinieren, hätte meinen Koffer gesprengt und die Rücken unserer Begleitpferde durchgebogen. Der Pik Lenin ist wirklich ein sehr schöner, massiver Berg. Er war ganz frisch eingeschneit, als wir im Basecamp ankamen, und wunderschön anzusehen. Die Bike-Reise war eine super Erfahrung, doch sie mit Höhenbergsteigen zu kombinieren, wäre ein riesen Stress gewesen.
Du warst mit deinem Bike schon überall auf der Welt unterwegs. Was war in Kirgistan besonders eindrucksvoll?
Zum einen der totale Kontrast. Wir sind nach Bischkek geflogen. Die Stadt ist immer noch von der Sowjet-Architektur geprägt, mit grossen Prachtbauten, Plattenbau-Siedlungen und riesigen Auffahrtstrassen und Plätzen. Auf dem Land leben die kirgisischen Nomaden in ihren Jurten auf den Sommerweiden in den Bergen. In den Dörfern und Winterlagern leben sie in ganz einfachen Hütten und Seecontainern ganz nah zum Vieh. Es ist der einfache Lebensstil, der mich total fasziniert und mich an meine Jugend auf dem Bauernhof erinnert hat, wo ich in einfachen Verhältnissen aufwuchs. Ich fühlte mich mit den Menschen dort stark verbunden. Was ich aber nicht verstehen konnte, war die Ernährung in Kirgistan. Eine echte Katastrophe, ich verdarb mir gleich zweimal den Magen – als Diätreise wäre es zu empfehlen.

Kommt man sich manchmal nicht ­komisch vor, wenn man voll ausgerüstet und mit Highend-Bikes auf Nomadenkinder trifft, die mit Sandalen ihre Pferde reiten?
Das Trek-Bike und meine Ausrüstung sind Hightech. Eine gute Daunenjacke, und eine wasser- und winddichte Shell-Jacke bringen Komfort und Schutz. Im Extremfall hilft dieses Material, einen Schneesturm zu überleben. Das Bike hilft, dass ich mich schneller bewegen kann, vor allem bergab. Berghoch waren die Wege teils steil und rau, weshalb wir die Bikes oft tragen mussten, um noch Sauerstoff zu bekommen. Ein Pferd ist aber sicher der optimalere Begleiter in der Steppe und den Bergen Kirgistans. Unsere Begleitpferde transportierten über 100 Kilo pro Rücken! Und das auf felsigen, verblockten, ­steilen Singletrails bis auf 4500 Meter! Da nützte unser ganzes Hightech-Zeug wenig. Es zählt, dass man sich mit der Natur arrangieren kann. Zudem haben mich viele Kinder fasziniert, weil sie schon von klein an den Eltern bei der Arbeit helfen, die Viehherden hüten und so viel Verantwortung für das Familienvermögen übernehmen.
Schweres Gepäck: Bis zu 100 Kilo schleppt jedes Pferd über die steinigen Wege bergauf.
Foto: Dan Milner
Durchs wilde Kirgistan
Schweres Gepäck: Bis zu 100 Kilo schleppt jedes Pferd über die steinigen Wege bergauf.
Da hilft nur das Pferd – und Aibek: Tom Öhler wird von dem Nomadenjungen sicher über den Fluss gebracht.
Foto: Dan Milner
Durchs wilde Kirgistan
Da hilft nur das Pferd – und Aibek: Tom Öhler wird von dem Nomadenjungen sicher über den Fluss gebracht.
Was nimmst du von so einer Reise mit nach Hause?
Die Nomaden sind echte Vorbilder. Es beeindruckt mich, wie simpel man eigentlich leben könnte, wie simpel auch meine Vorfahren gelebt haben. In Zeiten des Klimawandels versuche ich wieder etwas weniger zu wollen und zu besitzen. Die Erderwärmung mit dem damit verbundenen Gletscherschwund hat grosse Auswirkungen auf diese trockene Steppenlandschaft. Ich setze den Vorsatz, in Zukunft noch mehr auf Flüge zu verzichten, in die Tat um!
Manual in der Abendsonne: Das Nomadencamp Tulpar Lake ist das Basislager für zwei Tage und Ausgangspunkt für die Tour in Richtung Peak Lenin.
Foto: Dan Milner
Durchs wilde Kirgistan
Manual in der Abendsonne: Das Nomadencamp Tulpar Lake ist das Basislager für zwei Tage und Ausgangspunkt für die Tour in Richtung Peak Lenin.

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