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Swiss Enduro Team:
Von Null … auf Top X?

Text: Ralf Glaser
13.10.2022
Gerade erst formiert, hat das «Swiss Enduro Team» ein klares Ziel: bei der Enduro Heim-WM in Leukerbad 2025 ein Wörtchen mitzureden. Über den schwierigen Weg an die Spitze in einer Disziplin, in der noch vieles am Werden ist. 
An international erfolgreichen Radsportlern herrscht in der Schweiz kein Mangel – beim Cross-Country sind die Schweizer diejenigen, die es zu schlagen gilt. In den Gravity-Disziplinen, insbesondere im Enduro, zeichnet sich jedoch ein anderes Bild. Von rühmlichen Ausnahmen wie Camille Balanche abgesehen, gelang es bisher keinen Schweizer Athleten und Athletinnen, sich international in den Top 30 ihrer Disziplin zu etablieren. Das «Swiss Enduro Team» hat sich Anfang 2022 neu formiert und dabei ein klares Ziel formuliert: Sie wollen als rein Schweizer Team innerhalb von vier Jahren den Weg an die Spitze finden. Spätestens zur Enduro-WM in Leukerbad 2025 wollen sie dann für den Kampf um die vorderen Plätze konkurrenzfähig sein. Kann das gelingen? BORN hat während des SES-Rennens zur Schweizer Enduro-Meisterschaft in Laax mit den Teamridern Lars Büngen, Robin Janser und Mike Schuler gesprochen, und sie zu ihrer Sicht auf den Status quo und zu ihren Perspektiven befragt.
Mike Schuler im Positionskampf bei der Megavalanche. Das Massenstart-Format hat nichts mit Enduro zu tun, bringt aber Rennhärte.
Foto: Hoshi Yoshida
Swiss Enduro Team: Von Null … auf Top X?
Mike Schuler im Positionskampf bei der Megavalanche. Das Massenstart-Format hat nichts mit Enduro zu tun, bringt aber Rennhärte.

Ihr seid als Team angetreten, um zu «beweisen, dass Schweizer nicht nur beim XC und auf der Strasse schnell sein können». Muss man das beweisen?
Mike: So richtig schnell sind Schweizer bis jetzt noch nicht. Patrick Lüthi fährt momentan sehr stark. Der Gusti Wildhaber ist international schon in die Top 10 gefahren. René Wildhaber war schnell. Aber im Moment findet man bei der EWS nur selten Schweizer in den Top 50. 
 
Woran liegt das eurer Meinung nach?  
Robin: Es gibt jetzt die Swiss Enduro Serie im zweiten Jahr. Aber vorher gab es keine Serie. Und damit auch keine Chance für junge Racer, nach vorne zu kommen. Wenn es keine U15- oder U17-Kategorie gibt, ist der Nachwuchs chancenlos. 
Mike: Beim Cross-Country gibt es sieben oder acht Kategorien. Im Enduro gibt es das nicht. Deswegen fahren auch viel weniger Talente Enduro. 
 
Also sind fehlende nationale Strukturen ein Hemmschuh für die Entwicklung des Sports? 
Mike: Ja, eindeutig. Die SES ist ein grosser Schritt. Vorher musste man immer zu Rennen ins Ausland fahren, nach Frankreich oder nach Deutschland. Das hat es zusätzlich schwer gemacht.  
 
Sind die Strukturen im Ausland besser als in der Schweiz? 
Lars: Naja, Enduro ist noch eine junge Disziplin. Auch in Deutschland gibt es noch keine richtig gute Serie. Aber in Frankreich gibt es viel mehr Rennen. Da wird der Nachwuchs viel stärker gefördert, und zwar nicht nur auf der Strasse oder beim XC, auch beim Enduro. 

Liegt das nur an den Verbänden? Würden sich die Rider denn gerne Verbandsstrukturen unterwerfen? 
Robin: Die Frage hat sich bisher nie gestellt. Ich bin ja auch mit XC aufgewachsen, und habe erst mit 18 Jahren zur Enduro-Disziplin gewechselt. Vorher wäre das gar nicht gegangen. Es gab eine Altersgrenze, und damit keine Rennen, bei denen ich hätte starten können. Das ist schon ein Problem. 
Mike: Grundsätzlich ist das ja gut, wenn man bis 15, 16 Jahre XC fährt. Das ist eine gute Schule, für die Leistungsfähigkeit, und auch für die Fahrtechnik. Aber mit der U15-Kategorie bei der SES kann man sich viel früher auf Enduro spezialisieren. Und hat dann mehr Zeit für die Entwicklung. 
 
Aber Strukturen, die diese Entwicklung fördern, gibt es deswegen noch lange nicht. Baut Swiss Cycling solche Strukturen auf? 
Robin: Swiss Cycling? Die sind schon mit Downhill komplett überfordert. Oder? Ist doch so. 
Mike: Ja. Enduro findet für Swiss Cycling eigentlich nicht statt. So hart muss man das sagen.  
Lars: Ich bin im Swiss Cycling Team. Da bin ich der einzige Fahrer, der ausschliesslich Enduro fährt. Das ist noch sehr Downhill-orientiert. Ich bin aber froh, dass ich trotz des Wechsels vom DH ganz zum Enduro im letzten Jahr noch im Swiss Gravity Team bleiben kann. 

«Nur mit einer Race-Kategorie für Junioren
haben Talente die Chance auf Erfolg!»
Wer die EWS fahren will, muss Qualifier-Punkte sammeln. Lars Büngen bei einem Vorbereitungsrennen in Tschechien. 
Foto: Hoshi Yoshida
Swiss Enduro Team: Von Null … auf Top X?
Wer die EWS fahren will, muss Qualifier-Punkte sammeln. Lars Büngen bei einem Vorbereitungsrennen in Tschechien. 
Immerhin findet nun die zweite Schweizer Enduro-Meisterschaft statt. Welchen Stellenwert hat der Titel? 
Mike: Naja, du gewinnst, und dann bist du es halt. Davon kannst du dir nicht viel kaufen. Aber für die SES war es ein riesiger Aufwand, bis sie die Meisterschaft offiziell austragen durften. Die mussten erst das komplette Regelwerk schreiben. Das kam nicht von Swiss Cycling. Das haben die Jungs von der SES definiert.  
Robin: Ich glaube, dass jetzt etwas passieren wird. Die Schweizer Meisterschaften erregen schon Aufmerksamkeit. Wer weiss? Vielleicht gibt es ja in zwei Jahren eine Enduro-Nati. 
 
Treibt das jemand aktiv voran? Immerhin findet 2025 eine Enduro-WM im eigenen Land statt. 
Mike: Offiziell jedenfalls nicht. Die Organisatoren der SES tun richtig viel für die Entwicklung von Enduro in der Schweiz. Sie haben die Serie mit der EWS kompatibel gemacht, die Kategorien definiert. Sie haben ja auch die EWS in Zermatt organisiert. Sie organisieren Crans-Montana. Ohne diese Jungs würde nicht viel laufen.  
 
Wenn man aktuell an die Spitze kommen will, muss man sich also selbst helfen. 
Lars: So ist es. Wir fahren als Team die komplette EWS, aber von Swiss Cycling bekommen wir keinerlei Unterstützung.  
 
Ihr musstet die Fahrten zu den Rennen sogar über ein Crowdfunding finanzieren. Fühlt ihr Druck, jetzt Ergebnisse liefern zu müssen? 
Robin: Ja, schon. Nicht gerade Druck, aber wir wollen den Leuten schon beweisen, dass wir es können. Und das Interesse ist jetzt auch höher. Du gibst nicht einfach Geld und dann ist es dir egal, was damit passiert. Vielleicht gibt es so auch etwas mehr Aufmerksamkeit für die Situation in dieser Disziplin. 
Wenige Rennen, kaum Titel – keine guten Voraussetzungen für ein Sponsoring aus der Industrie. 
Mike: Wir haben Giant und Sram als Materialsponsoren. Ein paar Firmen stellen Material und legen einen überschaubaren Geldbetrag drauf. Aber das ist auch erst unser erstes Jahr. Da kann man nicht zu viel erwarten – wenn Erfolge kommen, kann sich das ändern.

Kann man denn ohne ein Sponsoring überhaupt Erfolge auf internationaler Ebene liefern?  

Lars: Das ist schwierig. Wenn das Material stimmt, kann man auch Leistung bringen. Das Problem ist, überhaupt zu den Rennen zu kommen, um dort die Leistung abzurufen. Bei allen EWS-Rennen an den Start zu gehen, kostet einen Haufen Geld.  
 
Enduro ist für Zuschauer nicht sehr attraktiv, die Rennen werden nicht gestreamt. Ist das Format für die Industrie interessant genug? Wie lässt sich die Attraktivität steigern? 
Robin: Ja, das stimmt schon. Bei der EWS gibt es am Samstag die «Pro Stages». Das ist wie ein kurzes Downhill-Rennen, mitten im Dorf oder auf dem Festgelände. Für Zuschauer ist das super! Jetzt hat auch Discovery angekündigt, dass nicht nur Downhill- oder XC-Rennen übertragen werden sollen, sondern auch Enduro. Wenn das passiert, wäre das perfekt. 

Ihr seid keine Profis, und könnt euch nicht auf das Training und die Rennen konzentrieren. Wie kann man da die Leistung so weit steigern, dass es für Top-Platzierungen reicht? 
Lars: Ich mache eine kaufmännische Ausbildung im Sportbereich. Da bleibt zum Glück genügend Zeit, um auch mal in ein Trainingslager zu gehen. 
Robin: Ich arbeite 80 Prozent als Velomechaniker, aber ich kann es mir einteilen. Im Winter arbeite ich 100 Prozent und mache Überzeit, so kann ich im Sommer zu den Rennen fahren. Aber dafür bleibt im Winter wenig Zeit für ein strukturiertes Training. 
 
Bei der EWS in Schottland hatte Gusti Wildhaber als bester Schweizer 1:20 Minuten Rückstand. Wie spart man 1:20 Minuten ein? 
Robin: Mit Konstanz. Du gewinnst kein Enduro-Rennen mit einer guten Stage, und drei sind scheisse. Du brauchst eine gute Fitness, eine gute Fahrtechnik. Nur dann kannst du am Limit fahren. Bei der EWS fahren alle komplett am Limit – immer. 
 
Ist beim Enduro-Fahren die Physis wichtiger? Oder mehr die mentale Stärke? 
Lars: Du brauchst eine gute Physis, damit du jede Stage mit 100 Prozent fahren kannst. Das ist auch die Voraussetzung, um bis zum letzten Moment konzentriert zu bleiben. 
Mike: Aber wenn du schneller werden willst, muss das Komplettpaket stimmen. Du musst Ausdauer haben, die Fahrtechnik, du musst mental stark sein.  
Lars: Du musst auch was wegstecken können. Damit du nicht nach einem Sturz komplett die Motivation verlierst, sondern einfach weiter auf Angriff fährst. 
Mike: Ja, aber gleichzeitig musst du aufpassen, dass du keinen Defekt hast. Du musst volles Risiko fahren, aber einen Defekt vermeiden – sonst ist der Tag zur Sau. 
Bei der Besichtigung muss ein Run genügen, um sich die Strecke einzuprägen. Auf den Stages wird dann komplett am Limit gefahren. Robin Janser bei der EWS in Canazei.
Foto: Monica Gasbichler
Swiss Enduro Team: Von Null … auf Top X?
Bei der Besichtigung muss ein Run genügen, um sich die Strecke einzuprägen. Auf den Stages wird dann komplett am Limit gefahren. Robin Janser bei der EWS in Canazei.
Kann man beim Rennen taktisch fahren?  
Robin: Ab und zu gibt es ein Live-Timing. Wenn du weisst, dass du gut im Rennen liegst, willst du nicht die letzte Stage versauen und stürzen. Also gibt es schon eine Taktik. 
Mike: Damit kommst du aber nicht weit. Wenn du weisst, dass du vor der letzten Stage 10 Sekunden vorne bist, kannst du dich nicht ausruhen. Und wenn du 30 Sekunden vorne liegst – da musst du voll fahren. 30 Sekunden sind nichts. Auf Sicherheit fahren geht nicht. 
 
Hier in Laax gibt es drei Transfers auf Seilbahnen, da ist die Physis nicht mehr so entscheidend. Wird das Rennen dadurch verzerrt? 
Robin: Ja, ein wenig schon. Hier müssen wir 700 Höhenmeter bergauf treten. Wenn es 2000 Höhenmeter wären, würde das Rennen viel härter werden. Da könnten weniger Leute vorne mitfahren. Aber am Ende gewinnt der Schnellste, egal, wie viel man bergauf treten muss. 
Mike: Durch Seilbahn-Transfers wird das Rennen weniger selektiv. So können mehr Leute Enduro fahren. Das Verhältnis zwischen Hochstrampeln und den Stages muss stimmen, klar. Aber Enduro lebt davon, dass viele mitfahren. Wenn nur die Top 30 die Stages runterballern und sonst keiner mitfährt, interessiert das niemanden. 
 
Dann geht auch das E-Enduro-Rennen bei der SES auf der Aletsch-Arena in die richtige Richtung? 
Mike: Klar, das braucht es auch. Ich fahre selbst viel E-Bike, vor allem im Training. Mit dem E-Bike kann ich nach der Arbeit noch schnell zwei, drei Abfahrten machen. Das wäre ohne E-MTB nicht möglich. Ausserdem ist das gut für die Industrie. 
Robin: Ja, E-Bike-Racing braucht es. Und das E-Bike-Format ist auch extrem hart. Da machst du 3000 Höhenmeter in einem Rennen. Mit Motor, klar. Aber treten musst du das trotzdem erst mal. 
 
Ihr habt als grosses Ziel die WM 2025 ausgegeben. Was habt ihr euch dort vorgenommen? 
Robin: Top 10. Aber mal sehen. Zumindest bei der EWS konstant unter die ersten 30 zu fahren, wäre schon super – es kann nur einer gewinnen.  
 
Wollt ihr ein kleines Team bleiben, oder wollt ihr wachsen? 
Mike: Es wäre super, wenn wir noch eine Frau in der Elite dabeihätten. 
Lars: Oder auch noch einen Jüngeren. U17 oder sogar U15. Jemand mit viel Talent, den man von Anfang an fördern kann. 
Robin: Ja, genau. Wenn es keine Förderstrukturen gibt, müssen wir es halt selbst machen. Vielleicht ist das sogar eine Chance!

Robin Janser

Der gelernte Velomechaniker ist 22 Jahre alt und lebt in Schwyz. Nachdem er beim Cross-Country Race-Erfahrungen als Junior sammeln konnte, wechselte er 2018 die Disziplin und fuhr in Laax sein erstes Enduro-Rennen. Seit 2020 geht er bei der EWS an den Start, und konnte beim EWS100 Rennen in Zermatt den Sieg in der Kategorie U21 einfahren. 2022 ist seine zweite Saison in der Elite-Kategorie.   

Mike Schuler

Mike, 31 Jahre, wohnt in Alptal im Kanton Schwyz, und ist der Routinier im Team. Von 2008 bis 2013 fuhr er Cross-Country-Rennen für das Strüby Bixs Team. 2014 wechselte er die Disziplin und fährt seither Enduro, zuerst im Giant Swiss Team, dem Vorläufer des aktuellen Teams. Mike arbeitet in der Bikebranche und verdient sein Geld als Aussendienstmitarbeiter beim Importeur TST-GPR.

Lars Büngen

Lars, 17 Jahre,  lebt in Hausen am Albis. Er absolviert gerade sein erstes Lehrjahr einer kaufmännischen Ausbildung im Sportbereich und kam über den Downhill zum Enduro-Sport. Sein erstes Enduro-Rennen bestritt er 2018 bei der «Enduro One Serie» in Deutschland. In diesem Jahr 2022 fährt er seine erste EWS Saison in der U21-Kategorie, die Heim-WM 2025 wird er in seinem letzten Junioren-Jahr bestreiten.
Foto: Hoshi Yoshida
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