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Alessandra Keller
blickt auf die neue Saison

Text: Jürg Buschor | Foto: KifCat
04.04.2023
Schritt für Schritt hat sich Alessandra Keller von der U19 und U23 Weltmeisterin zur Weltcup-Gesamtsiegerin XCC und XCO hochgearbeitet. Welche Ziele sie sich in diesem Jahr gesteckt hat, erzählt die Nidwaldnerin im BORN Pre-Season-Interview.
Im BORN-Kurzinterview vor einem Jahr hast du als Saisonziel definiert, deinen Gegnerinnen so oft wie möglich die Rückseite zu zeigen. Das ist dir sehr eindrücklich gelungen. Hand aufs Herz – hast du dir das so vorgestellt?
Die Saison ist von A bis Z sehr zufriedenstellend verlaufen. Ich war immer in den Top 10 – diese Konstanz war der Schlüssel zum Erfolg. Etwas überrascht war ich schon, weil in den Jahren zuvor immer etwas dazwischenkam, und es nicht immer nach Wunsch lief. Das Selbstvertrauen hat deshalb anfangs letzter Saison sicher noch gefehlt. 

Hast du das Gefühl, dass du in der letzten Saison dein Potenzial endlich ausschöpfen konntest?
Die Krönung der Konstanz war der Gewinn des Gesamt-Weltcups – insofern konnte ich mein Potenzial abrufen. Ich bin aber überzeugt davon, dass noch mehr drin liegt.  

Gab es einen Aha-Moment?
Ja. Der Weltcup-Sieg im Shorttrack in Andorra war ein grosser Schritt. Was die Saison für mich ausgezeichnet hat, ist, dass alles Schritt für Schritt aufeinander aufgebaut hat. Anfangs Saison hatte ich mir zum Ziel gesetzt, aufs Weltcup-Podium in der Elitekategorie zu fahren. Dieses Ziel konnte ich im zweiten Weltcup-Rennen in Albstadt erreichen. Gefolgt vom Sieg im Shorttrack in Andorra, danach der erstmalige Gewinn eines Crosscountry Olympic Weltcups in Snowshoe.  

Hat die Erreichung jedes Zwischenziels Druck von dir weggenommen?
Ich habe mich nie unter Druck gefühlt – weder von Seiten des Teams, Sponsoren oder anderen Partnern. Der einzige Druck war der, den ich mir selbst gemacht habe. Aber ich konnte gut damit umgehen.  

Es steht das Jahr der Bestätigung an…
Mir ist durchaus bewusst, dass ich als Weltnummer 1 und Gesamt-Weltcup-Siegerin von der Jägerin zur Gejagten werde. Ich sehe das als Bestätigung dafür, dass ich einiges richtig gemacht habe in der Vergangenheit. Und ich versuche, den Druck in zusätzliche Motivation umzumünzen. Ich starte mit grossem Selbstvertrauen in die Saison. Die solide Basis ist gelegt, und darauf lässt sich jetzt auch aufbauen.  
«Mir ist bewusst, dass ich als Weltnummer 1 und Gesamt-Weltcup-Siegerin von der Jägerin zur Gejagten werde.»
Und wie ist die Saison-Vorbereitung verlaufen?
Die Monate nach dem Gewinn des Gesamt-Weltcups waren sehr intensiv. Ich war definitiv ferienreif und habe mich gefreut auf die Zeit ohne Termine und ohne Velo. Es ist mir gelungen, meine Batterien sehr gut aufzuladen. Der Saisonaufbau über den Winter ist ohne jegliche Zwischenfälle verlaufen – keine Stürze, Verletzungen oder Krankheiten.  Ich war in Südafrika, danach mit dem Team in Trainingslagern in Spanien und Italien.

Welche Ziele hast du dir für diese Saison gesteckt?
Ein grosses Ziel habe ich mit dem Gewinn von zwei Weltcup-Gesamtwertungen bereits erreicht. Stand im letzten Jahr die Konstanz im Fokus, so möchte ich in diesem Jahr in Topform sein, wenn Titelkämpfe ausgetragen werden – sei’s an den Europameisterschaften, sei’s an den Weltmeisterschaften. Ich habe eine Weltmeisterschaftsmedaille im Shorttrack, aber noch keine im Crosscountry – da möchte ich um die Medaillen mitkämpfen.  
Alessandra Keller blickt auf die neue Saison

In Short

Lieblingsort?
Südafrika, mein zweites Daheim.

Lieblingstrail?
Schwierig, es gibt überall coole Trails. Aber wenn ich mich entscheiden muss: der Bürgenstock-Trail bei mir daheim.

Liebster Energielieferant?
Müesli

Wenn nicht auf dem Bike, dann…
bin ich gerne sonst aktiv.

Ich schalte am liebsten ab mit…
schlafen.

Welche Charakter-Eigenschaft hättest Du gerne?
Mehr Geduld.

Und welche Marotte wirst Du nicht los?
Das Verträumte, das Zerstreute…

Dieser Song pusht mich am meisten…
Es gibt keinen Lieblingssong. Was mich pusht, sind gute Liedtexte…

Mit dem Mountainbike lieber den Berg hoch oder runter?
Hoch

Siege feiern mit Champagner oder Limonade?
Limonade

Saisonende geniessen am Berg oder am Meer?
Berg

Das wünsche ich mir…
Gesundheit für mich und mein Umfeld. Gesellschaftlich: Offenheit.

Dieses Jahr wird…
erfolgreich!

Alessandra Keller blickt auf die neue Saison
Mit dem Gewinn zweier Weltcups mutiert Alessandra Keller in der kommenden Saison von der Jägerin zur Gejagten.
Alessandra Keller blickt auf die neue Saison
Die Konkurrenz ist stark. Nach Alessandra haben alle Fahrerinnen von Rang 1 bis 15 das Zeug, um Weltcup-Rennen zu gewinnen.
Was denkst du – welches sind die Gegnerinnen, die dir voraussichtlich am häufigsten im Weg stehen werden?
2023 ist ein vorolympisches Jahr und da sind ganz viele Athletinnen extrem motiviert. Und wenn man sich die Weltcup-Ranglisten des letzten Jahrs anschaut, dann haben von Position 1 bis 15 alle Fahrerinnen das Zeug, einen Weltcup zu gewinnen. Wir starten wieder bei null, und alle haben über den Winter gut trainiert – die Kandidatinnen-Liste ist lang …

Und in welchen Bereichen hast du für dich persönlich die Verbesserungspotenziale geortet? 
Ende Jahr sitze ich immer mit den Personen in meinem Umfeld zusammen und dann schauen wir gemeinsam, welche Punkte wir angehen möchten. Neben dem Athletiktraining habe ich persönlich auch noch einiges Potential geortet in der Fahrposition und in der Effizienz der Kraftübertragung. Fahrtechniktraining und Materialoptimierungen sind natürlich fortlaufend ein Thema.
«Im letzten Jahr stand die Konstanz im Fokus. In diesem Jahr möchte ich in Topform sein, wenn Titelkämpfe ausgetragen werden»
Worauf freust du dich am meisten?
Ich freu mich grundsätzlich auf alle Renn-Events, die ich mit dem Team erleben darf. Es sind die Emotionen, die ich mag – nicht nur die positiven. Ich habe auch eine Leader-Funktion im Maxon Thömus Team und deshalb freut es mich sehr, wenn alle Athleten im Team ihre Leistung abrufen können, so wie anlässlich des Saisonauftakts in Banyoles.  

Worin bestand die grösste Veränderung für dich persönlich nach dem Gewinn des inoffiziellen Titels für die «konstanteste Fahrerin des Feldes?»
Die Aufmerksamkeit war natürlich viel grösser und entsprechend auch der Zeitaufwand, beispielsweise für Medientermine und Podiumsgespräche. Für mich persönlich war das sehr spannend und ich mache das auch gerne.
Alessandra Keller blickt auf die neue Saison
Konstanz ist letztlich auch eine Frage des Teamgeists. Daran mangelt es bei Thömus-Maxon nicht.
Alessandra Keller blickt auf die neue Saison
Das Jahr 2023 ist ein vorolympisches Jahr, da ist nicht nur Alessandra Keller voll motiviert, sondern auch die Konkurrenz.
Wie sehr hat es dich getroffen, dass dein Team-Kollege Mathias Flückiger unter Dopingverdacht stand?
Das war kurz vor den Europa- und Weltmeisterschaften, also in der wichtigsten Phase der Saison. Ich habe an der EM gelernt, dass man nicht maximale Leistung abrufen kann, wenn der Kopf nicht bereit ist. Das Schlimmste war für mich zu sehen, in welchem Zustand das Team war. Mathias war weg und in guter Betreuung, aber für uns musste es weiter gehen und wir mussten liefern. Uns allen fehlte etwas die Perspektive. Das Team hat in der Vergangenheit viel in den Erfolg investiert und jetzt drohte der tiefe Fall. Ich konnte das damals schlecht einordnen. Man wusste auch nicht, wie die Sponsoren darauf reagieren. Es war unklar, ob das für das Team existenzbedrohlich sein würde. Ich musste dann bei mir selbst den «Schalter» umlegen und den Fokus auf Weltmeisterschaften und Weltcup-Finale legen – das ist mir gelungen und so konnte ich auch dem Team eine Perspektive geben. 

Hattest du oder die anderen Team-Mitglieder jemals das Gefühl, unter Generalverdacht zu stehen?
Beängstigend war bei der Zielankunft der Europameisterschaften, wie sensationsgeil die Medien waren. Ich hatte rund 15 Reporter um mich herum, aber es ging natürlich nicht wirklich um mich und meine Leistung. 

Wir haben nächstes Jahr Olympische Spiele in Paris, 2025 WM im eigenen Land – wie weit schaust Du als Athletin in die Zukunft? 
Ich bin eine Athletin mit Weitblick und natürlich sind die zwei Grossanlässe wichtige Ziele. Trotzdem versuche ich im Moment zu leben. Letztlich kann man auch zu weit im Voraus planen und sich verzetteln. Der Fokus gilt der aktuellen Saison.

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